Wie Science-Fiction die Stadtentwicklung vorantreibt

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Verkehrsadern durch riesige Unterwassertunnel, Wolkenkratzer mit mehr als 1.000 Etagen, fliegende Autos und begrünte Fassaden – das klingt nach Science-Fiction? Ist es auch, zumindest im Moment. Wissenschaftler an der BSU Cottbus haben erforscht, inwieweit diese teils utopischen Szenarien Stadtplanern helfen können, zukunftsweisende Architektur zu bauen. Denn die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts werden die urbane Landschaft radikal und nachhaltig verändern.

 

Stadtplanung und Architektur in der Science-Fiction – ein Blick zur Seite

Mit der Frage, was und wie Stadtplaner aus Science-Fiction lernen können, beschäftigte sich ein interdisziplinäres Forschungsteam an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg. Im Auftrag des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) analysierten die Wissenschaftler 53 Werke aus Literatur, Film, Comic, Bildender Kunst und Computerspielen, die seit den 1970er Jahren entstanden waren. Architektonische Fiktionen existieren seit Jahrhunderten. Zu ihrer jeweiligen Entstehungszeit waren sie nicht nur eine Art Entwurf der Zukunft, sondern immer auch eine Kritik der Gegenwart.

Science-Fiction wagt den Blick zur Seite, so ein Ergebnis der Studie. Es stellt die Frage: „Was wäre, wenn…?“ Die Künstler, egal ob Autor, Illustrator oder Regisseur, greifen realitätsnahe Themen auf und führen Gedanken radikal zu Ende. Dazu gehören Ressourcenknappheit, Überbevölkerung, Klimawandel, Verkehrskollaps, die Macht einzelner Konzerne sowie digital überwachte, totalitäre Staatsformen.

Der Film „Cloud Atlas“ (2012) spielt unter anderem im Neo Seoul des Jahres 2144. Aufgrund der Erhöhung des Meeresspiegels ragen immense Wolkenkratzer in die Höhe. Der Verkehr hat dermaßen überhand genommen, dass die Autos durch Unterwassertunnel und auf fluoreszierenden Hochbahnen fahren.

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Eine Kunstausstellung im Jahr 1973 in Hamburg griff das Thema Luftverschmutzung auf: „Grüne Lunge, künstliches Atmungsorgan für Stadtbewohner“. Sie zeigte die Fiktion einer Welt, in der jegliche Natur verschwunden ist. Die Atemluft wird chemisch aufbereitet und mit bestimmten Aromastoffen versehen, damit die Bevölkerung den Eindruck von frischer, natürlicher Luft bekommt. Dieses Thema ist auch heute noch eine große Herausforderung, für die Lösungen gefunden werden müssen. Regelmäßige Smogalarme in Stuttgart, Paris oder Peking zeugen davon.

Was Architekten daraus für die Zukunft der Stadtentwicklung lernen können

Bis zum Jahr 2100 werden 70 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben. Die Science-Fiction präsentiert mehrere Modelle, wie eine urbane Zukunft aussehen kann. Hierzu zählen Kuppelstädte, fliegende Städte, unterirdische Städte oder Sprawls, die zu Megastädten heranwachsen. Dieses Genre setzt sich mit Themen auseinander, die bereits heute Relevanz haben. Es überwindet Denkbarrieren und kann dadurch Stadtplanern als Warnsignal dienen.

In der Science-Fiction werden extreme städtische Entwicklungen ausgelotet. In ihren Werken verarbeiten die Künstler Konflikte zwischen Arm und Reich, Regierungsanhängern und Oppositionellen, Einheimischen und Fremden. Das Weiterdenken hilft Stadtplanern, die möglichen Folgen dieser Konflikte rechtzeitig zu erkennen und entsprechende Handlungspläne für reale Städte abzuleiten.

Einige dieser Fiktionen sind bereits Realität geworden, wie die sogenannten Gated Communities, abgeschottete Gebiete, in denen die Reichen sich verschanzen. Es gibt sie in Johannesburg, Moskau, Potsdam und Düsseldorf. Außerdem beschäftigen sich schon heute visionäre Architekten mit der Stadt der Zukunft. Dies zeigt sich in Masdar City in Abu Dhabi, die zur ersten kohlendioxid- und abfallfreien Stadt der Welt werden soll, oder Arcosanti in Arizona, wo Architektur und Ökologie eine Symbiose eingehen.

Science-Fiction stellt unbeachtete Themen in den Mittelpunkt

Zwei zentrale Fragestellungen aus der Science-Fiction werden laut der BBSR-Studie noch nicht ausreichend in die Stadtentwicklung einbezogen: die Grenzen des Humanismus und die Technisierung der Lebenswelt. Erstgenannte bezieht sich einerseits auf die biologischen Grenzen des menschlichen Körpers, andererseits auf die Grenzen des Wertesystems. Die zweite Thematik umfasst beispielsweise den Smart-City-Diskurs. Stadtplaner und Kommunalpolitiker stehen vor der Herausforderung, urbane Landschaften zu erschaffen, in denen Menschen sich wohlfühlen, die sozial verträglich sind und eine Zukunft auf allen Ebenen bieten.