Im zweiten Teil unserer Serie „Die Stadt der Zukunft“ stellen wir Ihnen die urbane Vision des italienischen Architekten Paolo Soleri vor: Arcosanti, die Ruine einer besseren Welt.
Arkologie: Architektur und Ökologie vereint
In der unwirtlichen Wüste Sonora im US-amerikanischen Bundesstaat Arizona liegen die aus Beton und Glas erwachsenen Anfänge der städtischen Idealvorstellung von Paolo Soleri. Arcosanti ist die Utopie einer nachhaltigen Stadt aus der Vergangenheit.
Im Jahr 1970 begann der Visionär mit der Realisation seines architektonischen Traums auf einem Areal in der Nähe von Cordes Junction, 100 Kilometer nördlich von Phoenix. Das Grundprinzip seiner Philosophie nennt Soleri „Arkologie“, ein Kunstwort, das sich aus den Begriffen Architektur und Ökologie zusammensetzt. Als Inspirationsquelle diente dem im Jahr 2013 verstorbenen Bau-Rebell die ökologische Wissenschaft, die Beziehungen der Lebewesen zueinander und ihrer Umwelt. Soleri sah in der Zerfaserung der Großstädte mit ihren ausufernden Metropolregionen eine Bedrohung für Kultur und Umwelt.
Himmelsstürmende Turmstädte
In modernen Städten wie diesen, mit ihren öden Geschäftszentren in der Innenstadt und ihrer weiträumigen Zerfaserung, leide das Zwischenmenschliche – die Kommunikation der Bewohner untereinander verkümmere, so Soleri. Nur in einer Stadt, in der intensive Wechselbeziehungen zwischen den Menschen stattfinden, könne die Kultur erhalten bleiben oder sich weiterentwickeln. Er verfolgte deshalb den Ansatz einer flächenschonenden Architektur, die turmartig in die Höhe anstatt in die Breite wachsen sollte. In seinen Entwürfen schrauben sich Millionenstädte auf Tragsäulen in den Himmel. Wabenartige Gebäude beherbergen Wohnungen und Grünflächen, Unternehmen und Marktplätze. So sollte auch Arcosanti aussehen. Bis heute wurde aber lediglich 1 Prozent der geplanten Stadt fertiggestellt, da Soleri keine Investoren fand, die seine Philosophie teilten.
Nachhaltiger Städtebau in der Wüste
In Arcosanti gibt es keine Autos, denn in Soleris Entwürfen sollte die Turmstadt so eng zu einem organischen Gesamtkomplex verwoben sein, dass jeder Ort zu Fuß erreichbar ist. Ironischerweise ist heute nicht die Höhe der Gebäude der Grund für ein autofreies Arcosanti, sondern die Größe der Stadt. Auf dem Areal gibt es nur rund zehn Gebäude, darunter ein Café und ein Amphitheater, in denen regelmäßig Architektur-Workshops, Ausstellungen oder Aufführungen stattfinden. In den ersten 40 Jahren bauten an der Wüstenstadt mehr als 7000 Arkologie-Anhänger, die auch in ihr lebten.
Nachhaltiger Städtebau ist heute ein zentrales Thema, wie das Beispiel Malmö in Schweden zeigt. Soleri erkannte das schon damals und war seiner Zeit weit voraus. Arcosanti sollte zu einer rein ökologischen Stadt avancieren, die Lebensmittel und Energie autonom produziert. In Ansätzen ist dies auch gelungen: Bauten aus Beton absorbieren die Wärme während des Tages und geben sie nachts wieder frei, aus Wind und Sonne wird Strom gewonnen. Eine Reihe von Gewächshäusern dienen nicht nur der Lebensmittelproduktion, sondern auch als Heizsystem. Die warme Luft aus den Kaldarien wird durch ein Tunnelsystem in die Wohnräume geleitet.
Inspirationsquelle Arcosanti
Auch, wenn Paolo Soleris architektonischer Traum bis heute eine Baustelle ist, seine Theorien und Arbeiten über nachhaltige Architektur sind so zeitgemäß wie nie zuvor. Sie wurden weltweit ausgestellt und dienen Architekten als Inspirationsquelle für nachhaltige Stadtplanung.