Am 31. März 2016 starb Zaha Hadid überraschend an einem Herzinfarkt in Miami. Mit den höchsten Architekturpreisen ausgezeichnet und gar von Queen Elizabeth geadelt, gehörte sie zweifellos zu den wichtigsten und schillerndsten Figuren der Architektur unserer Zeit. Zaha Hadid war jedoch nicht nur eine außergewöhnliche Architektin, sondern auch eine erfolgreiche Unternehmerin. Ihr 1980 mit keiner Handvoll Mitarbeitern gegründetes Büro zählte zum Zeitpunkt ihres Todes über 400 Angestellte und neben der Londoner Niederlassung weitere in New York, Beijing, Hong Kong, Dubai und Mexiko-Stadt. Doch wie geht es dem Unternehmen ein Jahr nach dem Verlust seiner Gründerin?
Als Zaha Hadid starb, waren Zaha Hadid Architects in 36 Projekte involviert. 24 davon waren bereits im Bau begriffen. Fertiggestellt sind mittlerweile das Salerno Maritime Terminal, das Port House in Antwerpen und die Innenarchitektur für die Mathematics Gallery des Science Museums in London. Auch Preise gab es wie gewohnt, etwa den Architizer A+Award für das Salerno Maritime Terminal. Andere Werke stehen wiederum kurz vor der Vollendung, so etwa 520 West 28th in New York oder das Nanjing International Youth Cultural Center. Daneben erregen immer wieder neue Meilensteine, wie etwa kürzlich die Fertigstellung des 20. Geschosses von Leeza Soho, mediale Aufmerksamkeit.
Neue Projekte
Das Büro hatte und hat also noch immer einiges an Arbeit zu bewältigen, die Zaha Hadid ihm hinterließ. Doch wie steht es um neue Projekte? Der erste Wettbewerb, den das Büro nach dem Verlust der Stararchitektin für sich entscheiden konnte, war der um ein neues Fußballstadion für den englischen Fünftligisten Forest Green Rovers. Auch hier betreten ZHA wieder einmal architektonisches Neuland, denn ihr Entwurf sieht der Welt erstes Fußballstadion aus Holz vor. Durch die extensive Verwendung des nachwachsenden Rohstoffs und die damit verbundenen Einsparungen an CO2 soll dieses auch gleichzeitig das „grünste“ Stadion der Welt werden.
Das Stadion ist Teil des Forest Green Rovers Eco Park – ein Stadtentwicklungsprojekt, das auf über 40 Hektar neben dem Stadion und den dazugehörigen Einrichtungen einen Gewerbepark für grüne Technologie umfassen wird. Auf letzteren wird sich der bereits lokal ansässige grüne Energiegigant Ecotricity ausweiten. Neben diesem Großprojekt sorgte kürzlich das Design für den Pavillon des Samsung Galaxy S8, „Unconfined“, auf der Mailänder Design Week für Aufsehen. Hier schufen ZHA in Zusammenarbeit mit dem Technologiekonzern und dem digitalen Kunst- und Designkollektiv Universal Everything eine immersive Erlebniswelt, inspiriert von dem neuen Smartphone.
Zaha Hadids „DNA“ und ihr Thronerbe
Rem Koolhaas, Zaha Hadids ehemaliger Lehrer, befand in einem Interview kurz nach dem Tod der Architektin, dass ZHA auch ohne ihre Gründerin überleben könnten, wenn sie nach dem Vorbild großer Modehäuser wie Alexander McQueen oder Chanel handelten. Demnach müsste das Büro auf der „DNA“ seiner Gründerin aufbauen, was ungefähr so viel heißt, wie weiterhin eine Architektur zu produzieren, wie sie auch Hadid selbst entworfen hätte. Mit Patrick Schumacher steht wahrscheinlich der richtige Nachfolger für diese Aufgabe an der Spitze des Büros. Immerhin arbeitete er seit 1988 mit Hadid zusammen und leitete seit 2002 an ihrer Seite die Firma.
Seit langem gilt der Architekt als das „Gehirn“ von ZHA, da alle theoretischen Arbeiten zur Hadidschen Architektur von ihm stammen. Keiner dürfte vertrauter mit Zaha Hadids kreativer „DNA“ sein. Allerdings hatte er im November letzten Jahres bereits durch diverse radikalliberale Forderungen, wie das Abschaffen sozialen Wohnungsbaus und die Freigabe des Londoner Hyde Parks zur Bebauung, eine erste politische Krise zu verantworten. Die Folgen waren neben negativer Presse und wütenden Demonstranten vor dem Londoner Büro auch Unmut und Dissens innerhalb des Unternehmens.
ZHA in guten Händen
Dies ist jedoch nicht die erste Kontroverse, die Schumacher oder die Arbeit von ZHA auslöst, und so wird man ihm wohl, wie er selbst hofft, seine „Naivität“ verzeihen. Der Verlust Hadids soll laut Schumacher die Mitarbeiter enger zusammengeschweißt haben. Auch diese hegen den Wunsch, dem Erbe der charismatischen Grande Dame gerecht zu werden. So verriet die bei ZHA angestellte Architektin Maren Klasing kürzlich in einem Interview mit dem ORF, dass sie sich immer wieder frage, ob Zaha Hadid mit dem, was sie tue, auch einverstanden wäre. Dieser Haltung nach zu urteilen, scheint die Zukunft von ZHA in guten Händen.