Die Elektromobilität soll die Welt zum Guten verändern. Bevor sie jedoch zu einem entscheidenden Faktor in der Umstellung von umwelt- und klimaschädlichen fossilen Brennstoffen zu erneuerbaren Energiequellen werden kann, muss sich auch so einiges andere noch ändern. Dazu zählt vor allem auch die Infrastruktur. In einem früheren Beitrag berichteten wir bereits über ein Konzept, das sich dem räumlichen Problem langer Ladezeiten von Elektroautos widmet. Nun werfen wir einen Blick auf buchstäbliche Wege, die Elektrofahrzeuge auch während der Fahrt mit Energie versorgen sollen. Diese werden bereits in der Praxis getestet.
Egal mit welchem Antrieb ein für die Straße zugelassenes Fahrzeug heutzutage fährt, irgendwann muss es auf die eine oder andere Art betankt werden. Elektroautos haben hier bislang noch den großen Nachteil gegenüber Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren, dass bei ihnen der Tankvorgang um ein Vielfaches länger dauert und obendrein auch noch wesentlich öfter durchgeführt werden muss. Das Blatt könnte sich jedoch in nicht allzu ferner Zukunft bereits zugunsten der Elektromobilität wenden. Neue Technologien versprechen gar das Ende notwendiger stationärer Ladevorgänge auf längeren Strecken. Manche davon sind bereits straßenreif. Nun müssen bloß noch die Straßen für die Technologien reif gemacht werden.
„Tramsformation“: eHighways machen LKW zu Trams
Eine Lösung, die schon 2019 auf einem Teilstück der A5 zwischen Frankfurt und Darmstadt und wenig später auch auf der A1 zum Einsatz kommen soll, ist eigentlich alles andere als neu. Bei den sogenannten eHighways von Siemens werden nämlich LKW auf die gleiche Art mit Strom versorgt, wie man es heutzutage vor allem aus dem Schienenverkehr kennt: per Oberleitung. Wobei auch der Einsatz von Oberleitungen fernab von Schienen an sich keineswegs ein Novum darstellt. Schon vor über 100 Jahren gab es in Deutschland vereinzelt Oberleitungskraftwagen.
Neu bei den eHighways ist der Einsatz von Hybridantrieben, was bedeutet, dass die eHighway-LKW neben Elektromotoren, die durch die Oberleitungen mit Strom versorgt werden, auch Verbrennungsmotoren mit Gas oder (Bio-)Diesel sowie Brennstoffzellen nutzen. Das Tanken bleibt also nicht ganz aus. Dafür gewährleistet das Hybridsystem auch die Mobilität fernab der Leitungen. Die Verbindung zur Oberleitung erfolgt übrigens automatisch: Sensoren erkennen, wenn sich der LKW unter den beiden unterschiedlich gepolten Stromleitungen befindet, und fahren den Stromabnehmer aus. Ebenso fährt sich letzterer auch wieder ein, sobald man die Stromspur verlässt. Das An- und Abkoppeln geschieht dabei problemlos bei Geschwindigkeiten von bis zu 90 Stundenkilometern.
„Carrera-Bahn“ made in Sweden: eRoadArlanda
Die eHighway-LKW nutzen neben der Leitung auch rückgewonnene Bremsenergie, um ihre Batterien aufzuladen. Insgesamt ist das System doppelt so effizient wie Verbrennungsmotoren. Doch hat es auch ein großes Defizit: Es eignet sich nur für die „Großen“ der Straße, also vor allem den Güterverkehr oder Omnibusse. Damit auch die „kleinen“ Verkehrsteilnehmer nicht auf der Strecke bleiben, hat man in Schweden ein System entwickelt, das direkt in die Straße integriert ist: Schon jetzt wird eine zwei Kilometer lange öffentliche Straße nahe Stockholm, die eRoadArlanda, wie eine Carrera-Bahn von einer Art Furche durchzogen, die Elektroautos über einen beweglichen Arm mit Strom versorgt.
Die eRoad besteht aus 50 Meter langen Abschnitten, von denen immer nur diejenigen mit Strom versorgt werden, die gerade auch in Gebrauch sind. Hält ein Fahrzeug an, wird die Stromzufuhr automatisch unterbrochen. Ähnlich wie bei den eHighways, löst sich der Verbindungsarm automatisch, sobald man die Furche verlässt. Dass die Leitungen offen am Boden verlaufen, ist übrigens selbst bei einem Barfußspaziergang kein Problem. Die Furche ist fünf bis sechs Zentimeter tief, und selbst wenn die Straße bei Regen überflutet wird, steht die Oberfläche lediglich unter einem Volt Spannung.
Anders als beim eHighway, setzt man in Schweden auf reine Elektromobilität. Das bedeutet allerdings nicht, dass auch alle Straßen eine „Elektrofurche“ erhalten, sondern nur so viele, dass der Akku praktisch immer voll genug ist, um die stromlosen Strecken zu überbrücken. Da keine Autobahn von der anderen mehr als 45 Kilometer entfernt ist, würde die Elektrifizierung der 20.000 Kilometer Autobahn locker ausreichen, um das gesamte schwedische Straßennetz (etwa eine halbe Million Kilometer) elektrisch zu befahren. Manche gehen sogar davon aus, dass 5.000 Kilometer schon ausreichen würden. Wer natürlich täglich nur Kurstrecke fährt, wird sein Auto weiterhin über Nacht zu Hause aufladen müssen.