Bauten im Permafrost: Meisterleistungen der alpinen Architektur

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Bauen im Hochgebirge ist eine Herausforderung. Die geologischen Bedingungen sind kompliziert. Das Zeitfenster für die Ausführung ist extrem kurz, die Logistik höchst anspruchsvoll. Vor allem der dauergefrorene Untergrund macht die Aufgabe für alle Beteiligten schwierig. Umso bewundernswerter sind diese drei architektonischen Glanzleistungen auf den Gletschern Tirols.

© Markus Bstieler; Bergstation Gaislachkoglbahn

Permanenter Kaltluftpuffer gegen unerwünschten Wärmestau

Dauerfrostboden ist als Baugrund eine heikle Angelegenheit. Über dem permanent gefrorenen Bereich liegt eine „aktive“ Schicht. Sie taut und friert im Wechsel der Jahreszeiten. Schmilzt diese obere Schicht in den wärmeren Sommermonaten, staut sich nicht nur das Wasser auf dem darunterliegenden Eis. Die Bodenstruktur verändert sich ebenfalls. Das kann dazu führen, dass sich ein Gebäude absenkt. Aber nicht nur schwankende Außentemperaturen sind herausfordernd. Die Gebäudewärme ist es ebenfalls. Die Zukunft im Permafrost-Bau gehört deshalb durchlüfteten Fundamenten. Sie sorgen dafür, dass der Wind unter dem Gebäude einen Kaltluftpuffer entstehen lässt.

© Albin Niederstrasser; Bergstation Gaislachkoglbahn

Gewaltige Imposanz und schwerelose Leichtigkeit

In der Bergstation der Gaislachkoglbahn hat die Zukunft bereits 2010 begonnen. 23 Einzelfundamente tragen das Bauwerk auf 3.040 Metern Höhe. Sie sind durch ein ausgeklügeltes System permanent ventiliert und hydraulisch nachstellbar – computergesteuert. Spektakulär ist nicht nur die Technik, sondern auch die Gestaltung der Konstruktion durch das Architekturbüro Obermoser aus Innsbruck: Statisch sicher im Berg verankert ragt sie scheinbar bodenlos über ihn hinaus. Die elegant geschwungenen Stahlskelette umhüllt eine transparente Kunststofffolie. So erschließen sich nicht nur bereits in der Ausstiegszone atemberaubende Ausblicke in die Gletscherwelt. Die Konstruktion ist auch besonders geeignet für den Bau in hochalpinen Permafrostgebieten. Unter der Folie erwärmt sich der Raum weniger als unter Glasflächen. Außerdem ist sie als Baustoff sehr viel leichter – was die Logistik stark vereinfacht.

© Rudi Wyhlidal; ICE Q in Sölden

Einmaliger Blick und einzigartiger Tropfen

Ihre Erfahrungen mit der Gaislachkoglbahn konnten die Architekten drei Jahre später beim ICE Q einbringen. Das spektakuläre 360° Gipfelpanorama hatte den Bau der Edelhütte unmittelbar neben der Bergstation nahegelegt – und Johann Obermoser zu einem weiteren großen Entwurf inspiriert: Eine gläserne Gebäudeskulptur, in der Anmutung an gestapelte Eisblöcke erinnern. Das Gebäude ist auf drei Einzelfundamenten platziert, die hydraulisch dreidimensional verstell- und verschiebbar sind. Es gibt so gut wie keine Verbindung zum angrenzenden Gelände. Bewegungen im gefrorenen Felsuntergrund können so kompensiert werden. Die Bauzeit war mit nur fünf Monaten sehr kurz. Alle Konstruktionsteile mussten deshalb nach Plan vorgefertigt und der Transport zum Gipfel sehr vorausschauend getaktet werden. Der Besucher des Luxus-Bergrestaurants genießt nicht nur von jedem Platz eine einmalige Rundumsicht. Er kann hier auch den weltweit einzigen auf 3.000 Metern Höhe gereiften Barrique-Wein verkosten.

© TVB Pitztal; Cafe 3.440 Pitztaler Gletscher 

Höchst begehrter Titel über tiefem Abgrund

Bei der Realisierung des Café 3.440 auf dem Pitztaler Gletscher gehörten Permafrost-Aktivitäten zu den geringeren Problemen der Architekten. Das höchstgelegene Kaffeehaus Österreichs steht auf einem kompakten, gering geklüfteten Felsen mit Gletscheransatz in Nordausrichtung. Herausforderungen gab es dennoch reichlich für die Experten von Baumschlager Hutter Partners. 1.200 Quadratmeter Nutzfläche für die Bergstation der Wildspitzbahn mussten auf 200 Quadratmetern Fundament des Vorgängerbaus untergebracht werden. Möglich machte das eine auf dem Massivkern montierte Stahlkonstruktionen mit extremen Auskragungen. Die exponierte Höhenlage des Standorts mit steil abfallenden Bergseiten, die geringe Aufstandsfläche, sehr begrenzte Zeitfenster und extreme Wetterverhältnisse schränkten die Spielräume bei der Bauausführung stark ein. Umso spektakulärer ist das Ergebnis: Eine Aussichtsterrasse, die frei über hunderte Meter tiefem Abgrund schwebt. Die Höhenmarke des begehrten Titels „Top of Tirol” kletterte damit auf 3.440 Meter.


Den Widrigkeiten der Bauplätze zum Trotz entstehen im Permafrost Meisterleistungen der alpinen Architektur: Erfahren Sie in unserem Beitrag über gut versteckte Juwelen in den Bergen mehr über Berghütten, die zu spektakulären Wahrzeichen wurden.