Moderne Architektur im Weinbau: 3 außergewöhnliche Weingüter

Lesedauer 8 min.

„Architektur und Wein“ wachsen schon seit geraumer Zeit zu einer Disziplin für sich zusammen. Denn immer mehr Winzer der neuen Generation wollen ihre Weine einer anspruchsvollen Kundschaft im stilgerechten Rahmen präsentieren. Drei Weingüter mit besonders charakterreichem, architektonischem Ausdruck stellen wir Ihnen im Folgenden vor.



Castello di Monteserico: Verkostung in der Burgruine

In ein gastronomisches Zentrum, in dem regionale Weine präsentiert werden, sollte die Burgruine Castello di Monteserico umgebaut werden. Die Restaurierungsidee von Gianluigi Branciaroli und Fabio Lovaglio, beide Mitarbeiter im Architekturbüro BMT, machte im Wettbewerb das Rennen.

Als komplex erwies sich die Umsetzung der Restaurierung ohne die Basis einer historischen Dokumentation. „Die digitale Bearbeitung war, im Vergleich zu einem normalen Gebäude, wesentlich aufwendiger“, erklärt Gianluigi Branciaroli. „Es fehlte eine zuverlässige und detaillierte Bestandsaufnahme, so dass die digitale Rekonstruktion in mehreren Schritten erfolgte.“ Mithilfe neuester Architektur-Software wurden von unten nach oben ein Multifunktionssaal, Räume für Verkostung und Gastronomie sowie ein Museumsparcours umgesetzt. Das Highlight ist ein kleiner überkuppelter Saal, in dem die Besucher audiovisuell die Entstehungsgeschichte der Burganlage sowie eine Weinernte „erleben“ können.

Wichtig war den Architekten die Auswahl von Materialien, die dem Bauwerk seinen robusten Charme lassen und dennoch ein Spiel zwischen historischem und modernem Stil, zwischen Schwere und Leichtigkeitinszenieren sollte.

Claus Preisinger, Burgenland: Wie der Wein, so das Gut

Mit selbstbewussten, charakterstarken Weinen eigenständiger Prägung ist der Jungwinzer Claus Preisinger bekannt geworden. In einem Porträt der Online-Weinhandlung „K&U“ heißt es über ihn: „Von den dicken, fetten, süßen Rotweinen, wie sie viele österreichische Weintrinker schätzen, emanzipierte er sich jedenfalls binnen weniger Jahrgänge, um heute beeindruckend kühle, raffiniert strukturierte Rotweine avantgardistischer Handschriftzu produzieren.“ 

© Claus Preisinger; Weingut Preisinger, Burgenland

Claus Preisingers Weinbau-Konzept lässt sich auf die Architektur seines Weinguts übertragen. Puristisch-kühn und dennoch harmonisch eingebettet in den Landschaftsraum des Burgenlands zeigt sich das langgestreckte, teleskopartige Gebäude. Der Entwurf stammt von propeller z Architekten aus Wien.

An der Frontseite scheinen schräg nach hinten verlaufende Betonwändedie große Terrasse nach vorne herauszuschieben, was der Optik eine ganz eigene Dynamik gibt. Die Fassade des Verkostungsbereichs gleich darunter ist aus Glas ohne Profileausgeführt. Dadurch scheint das Obergeschoss zu „schweben“, die von großen Holzflächen geprägte Anmutung erhält Transparenz und Leichtigkeit. Von der auskragenden Terrasse hat man einen herrlichen Blick über die umliegenden Weinberge.

Weingut Högl, Wachau: Zweckmäßigkeit, Regionalität, Ästhetik 

Josef Högl betreibt gemeinsam mit seinem Sohn Georg Weinbau in der Wachau. Der Hof wurde immer wieder erweitert. 2013 fiel dann der Entschluss, für Produktion und Verkostung einen Neubau zu errichten. Die beauftragten Architekten Ludescher + Lutzsetzten die Vorstellungen der Högls eines in die Kulturlandschaft der Wachau eingefügten und doch eigenständigen und originellen Gebäudes eindeutig um. Unverschnörkelte Klarheit und lokale Materialien verbinden sich im neuen Anbau gekonnt mit Zweckmäßigkeit und zeitlosem Charme. 

Die steilen Satteldächer und klaren Formen und Winkel kreieren kühle, räumliche Geometrien, die in raffiniertem Dialog mit den einzigartigen Möbeln und Einbauten aus naturbelassener Asteiche stehen. Entsprechend der Ästhetik der Slow Architecture ist das Bauhandwerk darauf ausgerichtet, dass es selbst repariert werden und in Würde altern kann. Die Schlagworte Authentizität, Nachhaltigkeit, aber auch Offenheit, Lernfähigkeit und Ruhe gehören zum Leitbild der beiden Winzer. Diese Philosophie findet sich in den neuen Räumlichkeiten wieder.

© Elmar Ludescher; Weingut Joseph Högl in der Wachau

„Jenseits aller Ästhetik ist der entscheidende Faktor für uns freilich der, dass wir in den neuen Gebäuden einfach besser arbeiten können und auch für neue Ideen mehr Platz haben. Zudem können wir unseren Kunden eine Atmosphäre bieten, in der man sich konzentriert und in aller Ruhe mit unseren Weinen auseinandersetzen kann.“, so Joseph Högl.

Ganz offensichtlich haben guter Wein und ehrlich gebaute Häuser eines gemeinsam: Je älter sie werden, desto mehr Charme und Charakter entfalten sie. Sie möchten mehr erfahren über eine Architektur, die Gebäude wie gute Weine reifen lässt? Dann lesen Sie unseren Artikel über die mit Land und Leuten eng verbundene gestalterische Haltung der Slow Architecture.