Viele leerstehende Gebäude, wenig freie Flächen: Nachverdichtung in der Stadt und Bauen im Bestand sind das Gebot der Stunde. Wie das zweite Leben alter Gebäude mit einem smarten Nutzungskonzept und der richtigen Architektur aussehen kann, zeigen diese aufregenden Umnutzungsprojekte.
Bauen im sakralen Bestand: Die schönste Buchhandlung der Welt
In ganz Europa werden derzeit leerstehende Industriehallen, Kaufhäuser oder Bürotürme umgenutzt – besonders zahlreich in den Niederlanden. Ein Projekt, das Furore gemacht hat, ist der Umbau einer Dominikanerkirche aus dem 13. Jahrhundert in Maastricht. Nach aufwendiger Revitalisierung durch Merkx und Girod Architekten kann man hier in der – so die britische Zeitung “The Guardian” und die Fernsehsender CNN und BBC – „schönsten Buchhandlung der Welt“ stöbern.
Der Besucher betritt das Gebäude durch eine Stahlkonstruktion, in die in 25 Sprachen das Wort „Buch“ eingearbeitet ist. Wo früher der Altar stand, sitzen heute Bücherfans in einem Coffeeshop in Kreuzform. Rechts ragt ein mehrstöckiges, begehbares Bücherregal in schlichtem, schwarzen Design auf, begehbar über schmale Treppen. Oben kann man unter historischen Deckenfresken in Büchern blättern und genießt einen atemberaubenden Blick in den Innenraum. Vor dem Umbau wurde die Kirche abwechselnd als Lagerhalle, Boxarena, Autohaus und Fahrradgarage genutzt. Sie war in einem elenden Zustand. Den Architekten ist es gelungen, dem Bauwerk seinen sakralen Zauber zurückzugeben und Besucher quasi in den „Bücherhimmel“ zu schicken.
Centre Point Tower in London: Vom Büroturm zum Wohnhaus
Ein regelrechtes „Umbaufieber“ ist auch auf dem britischen Büromarkt zu beobachten. In London werden aktuell mehrere alte Bürogebäude zu Apartment-Häusern. Eine Wandlung, die sich meist nur dort rechnet, wo die Nachfrage äußerst solventer Käufer oder Mieter herrscht – so wie bei dem 1963 errichteten Londoner Tower-Landmark „Centre Point“. Der 117 Meter hohe Büroturm liegt in Toplage in der Oxford Street.
In den 33 Stockwerken von „Centre Point“ entstehen Restaurants, 4.000 Quadratmeter Einzelhandelsfläche und 82 exklusive Wohnungen. Es sind solche citynah gelegenen Immobilien mit Wahrzeichen-Charakter, die die besten Aussichten auf einen „zweiten Frühling“ haben.
Ein ähnlich exklusives Angebot ist gerade in Frankfurt am Main mit dem „Henninger Turm“ auf den Markt gekommen, der vom alten Brauhaus in ein Luxus-Wohngebäude umgenutzt wurde (Architekten: Meixner Schlüter Wendt). Bis zu 4,5 Millionen Euro sind den Käufern die Lofts in den höheren Etagen wert. Auch die Umwandlung des „Blauen Turms“ – einstmals Bürohaus der Union Investment – durch Stararchitekt Ole Scheeren steht bevor: Nobelwohnungen in bester Main-Lage werden hier etabliert. Der „hässliche Klotz“ soll zum leichten, transparenten Gebilde werden.
Berlin, Prenzlauer Berg: Luxushotel mit Kiez-Schwimmbad
Im Touristen-Hotspot Berlin werden viele leerstehende Gebäude zu Hotels umgewandelt. So etwa das Stadtbad „Oderberger Straße“, das seit 1986 leerstand. Auflage der Stadt war, den Betrieb als öffentliches Schwimmbad zu reaktivieren, was viele Investoren abschreckte.
Barbara Jaeschke, Inhaberin der Sprachschule GLS, ging das Wagnis ein. Sie verwirklichte mit ihrem„Hotel Oderberger“ einen Traum. 18 Millionen Euro flossen in den Umbau des über 100 Jahre alten Neorenaissance-Bauwerks in ein Boutique-Hotel (Architekten: cpm architekten). Viele historische Details wurden liebevoll restauriert. Und um die Schwimmbadfläche multifunktional nutzen zu können, gibt es jetzt einen Hubboden, der sich auf Beckenrandhöhe hochfahren lässt. So wird das Schwimmbad zur Eventhalle für bis zu 800 Gäste.
Für die beispielhafte Sanierung des alten Stadtbads erhielt Barbara Jaeschke den Denkmalpflegepreis „Ferdinand-von-Quast-Medaille 2017“ und wurde zur „Berliner Unternehmerin des Jahres 2016“ gewählt.
Bauen im Bestand ist eine immer populärere Lösung, um neuen Raum für Wohnen, Gewerbe oder Freizeit in Städten zu schaffen. Aber auch auf dem Land sind Liebhaber traditionsreicher Baukultur kreativ: Erfahren Sie mehr über die Umnutzung von Scheunen zu loftartigen Domizilen.