Neues Grün auf alten Wegen: „High Line Parks“

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Im Zuge der voranschreitenden Urbanisierung verdichten sich die Städte zunehmend, was eine wachsende Versiegelung von Frei- und Grünflächen mit sich bringt. Gleichzeitig steigen die Schadstoffemissionen, was wiederum Grünflächen, die diese Pathogene aus der Luft filtern, unerlässlich macht. Ein Dilemma zwischen Wohnraumbedarf und Gesundheit. Was also tun, damit das Mehr an Menschen nicht zu einem Mehr an Kranken wird? Über die Vorteile von Gebäudebegrünungen in diesem Zusammenhang berichteten wir bereits. Im Folgenden soll eine weitere, zunehmend populäre Form der Flächenerschließung für grünes Leben beschrieben werden, die sich ebenfalls die Vertikale zunutze macht. Die Rede ist von Parks der besonderen Art.

Infrastruktur ist nicht immer für die Ewigkeit gebaut. Manchmal wird sie ab einem gewissen Punkt durch neue Strukturen ersetzt und nicht weiter gebraucht. Doch statt diese Relikte des Verkehrswesens einfach abzureißen, entdecken mittlerweile viele Städte das Potenzial stillgelegter Hochbahntrassen und Hochstraßen für Grünflächen und Naherholungsgebiete. Solche geben urbanen Regionen nicht nur lebenswichtiges Grün zurück, sondern werten die Viertel, durch die sie sich ziehen, obendrein enorm auf. Einen stehenden Begriff für die im Englischen oft als „elevated parks“ bezeichneten Anlagen gibt es im Deutschen noch nicht. Möglicherweise wird sich hier „High Line Park“ – nach dem berühmtesten Exemplar seiner Art – durchsetzen.



New York: „If I can make it there, I’ll make it anywhere.“

Der eigentliche „High Line Park“ oder einfach nur „High Line“ befindet sich in New York City. Die 2,33 Kilometer lange ehemalige Hochbahntrasse in Chelsea, West-Manhattan, zwischen Gansevoort Street und 34th Street, wurde zwischen 2006 und 2014 in drei Phasen (Phasen eins und zwei wurden 2009 und 2011 eröffnet) zum Naherholungsgebiet umgewandelt und zählt mittlerweile zu den beliebtesten Touristenattraktionen New Yorks. Für Chelsea zog dies zudem eine enorme Aufwertung und vielfältige Investitionen nach sich.

Der Riesenerfolg der High Line in New York hat eine regelrechte Lawine von Nachahmern losgetreten. So listet das „High Line Network“ der früheren Initiatoren des Parks allein in den USA und Kanada 11 weitere ähnliche Projekte. Und das, obwohl der eigentliche Vorreiter für derartige Parks schon 20 Jahre länger besteht. Aber die berühmten Worte Frank Sinatras, „If I can make it there, I’ll make it anywhere“, gelten eben nur für New York – und nicht für Paris.



Der Pionier: Coulée verte René-Dumont

Richtig, der wirkliche Prototyp und das Vorbild für den High Line Park in New York befindet sich in der französischen Hauptstadt, und wurde bereits 1993 eingeweiht. Die Coulée verte René-Dumont, ehemals Promenade plantée, befindet sich im 12. Arrondissement und verläuft über 4,7 Kilometer auf dem Viaduc des Arts zwischen der Opéra Bastille und dem Square Charles Péguy. Neben einer der High Line ähnlichen Beetbepflanzung besticht der von Architekt Patrick Berger und den Landschaftsarchitekten Philippe Mathieux und Jacques Vergely entworfene „Grünstreifen“ durch zahlreiche Pergolen und Bögen, an denen zum Beispiel Rosen ranken.



Blumenkübel auf der Autobahn: Seoullo 7017

Dass es nicht immer eine stillgelegte Eisenbahnstrecke sein muss, zeigt das im Mai 2017 eröffnete „Seoullo 7017“ in, ja, Seoul. Hierbei handelt es sich um eine etwa einen Kilometer lange ehemalige Verbindungsrampe der städtischen Autobahn, die bereits eine Weile aufgrund schwerer Bauschäden nicht mehr in Betrieb war. Der Unterschied zu den Parks in Paris und New York liegt aber nicht nur in der ursprünglichen Nutzung des neuen Parks. Während dort die Bepflanzung in festen Beeten angelegt ist, setzte das federführende Architekturbüro MVRDV in Seoul auf unterschiedlich große Kübelbeete. Die werden dafür des Nachts mithilfe farblicher LED-Beleuchtung stimmungsvoll in Szene gesetzt.

Fazit

Die Umnutzung stillgelegter Infrastruktur als Parks ist allein schon deshalb positiv zu bewerten, da sie dort Platz für wichtiges Grün schaffen, wo es am dringendsten gebraucht wird, und gleichzeitig Naherholungsgebiete kreieren. Sie bieten sozusagen neuen Raum für Mensch und Pflanze. Aufgrund der guten Einsehbarkeit, der Nähe zu angrenzenden Gebäuden und nicht zuletzt des hohen Durchgangsverkehrs sind sie obendrein sicherer als andere Parkanlagen. So tendieren etwa die auf der High Line begangenen Verbrechen praktisch gen null.

Der Erfolg eines High Line Parks kann allerdings auch hässliche Seiten mit sich bringen: Im nunmehr gentrifizierten Chelsea können sich heute viele derjenigen, die einst entscheidend zur Verwirklichung des Parks beigetragen hatten, nicht länger die Mieten leisten. Und ein Großteil der Bewohner nutzt erst gar nicht den Park, der einmal zur Verschönerung des Viertels beitragen sollte, da sie das Gefühl haben, er sei nicht für sie gemacht.