Pflanzen sind für uns nicht nur lebenswichtige Sauerstoffproduzenten. Sie steigern auch erwiesenermaßen unser Wohlempfinden und bringen eine ganze Reihe von Eigenschaften mit sich, die unsere Lebensqualität verbessern. Unglücklicher Weise entfernt sich die Pflanzenwelt mit zunehmender Urbanisierung immer weiter von uns, und die so wichtigen Grünflächen haben gegenüber dem Bedürfnis nach Wohnraum zumeist das Nachsehen. Um dennoch der Misere des „Grünschwunds“ in den Städten entgegenzuwirken, wird zunehmend auf eine Lösung zurückgegriffen, bei der sich Pflanzen- und Stadtwachstum miteinander vereinen lassen: die Fassadenbegrünung.
Dass Gebäudebegrünung allgemein im Trend liegt, konnte zwischen dem 20. und 22. Juni letzten Jahres auf recht eindrückliche Weise in Berlin beobachtet werden. Da fand nämlich mit dem World Green Infrastructure Congress (WGIC) das europaweit bislang mit Abstand größte Treffen zu diesem Thema statt. Über 100 Referenten aus 21 Ländern, über 40 Aussteller und mehr als 30 Kooperations- und Medienpartner hatten sich zu diesem Event in der Hauptstadt eingefunden. Zahlen, die belegen, dass Lösungen, die trotz Siedlungsdrucks und Nachverdichtung Grünflächen ermöglichen, zunehmend in den Fokus treten. Insbesondere die Fassadenbegrünung bringt ein Paket an Positivwirkungen mit sich, das Seinesgleichen sucht.
Moderne Fassadenbegrünung
Die moderne Fassadenbegrünung von heute wäre ohne einen Namen kaum denkbar: Patrick Blanc. Der französische Botaniker entwickelte in den 80erjahren ein bis dahin weitgehend ungenutztes Patent von Stanley White Hart von 1938 weiter und legte so den Grundstein für eine nicht bodengebundene Fassadenbegrünung. Mittels eines Mediums aus Polyamid-Filzen und eines Tröpfchenbewässerungssystems lassen sich Fassaden seither auch wandgebunden, mit nicht kletternden Pflanzen kultivieren. Der Vorteil gegenüber bodengebundenen Systemen liegt zum einen in der sehr viel größeren Diversität in der Bepflanzung. Zum anderen kann es flexibel in jeglicher Höhe eingesetzt werden.
Grüne Lebensretter
Es mag ein wenig überdramatisierend klingen, aber derartige Fassadenbegrünungen könnten tatsächlich Leben retten. Schätzungen der WHO zufolge sterben jährlich weltweit mehr als eine Million Menschen an den Folgen von Luftverschmutzung. Laut einer Studie des Karlsruher Instituts für Technologie von 2012 könnten allerdings Fassadenbegrünungen die innerstädtische Verschmutzung der Luft um bis zu 30 Prozent reduzieren. Die grünen Wände würden hierbei sogar weit besser abschneiden als begrünte Dächer oder Parks, da sie Stickstoffdioxid und Feinstaub quasi direkt da aufnähmen, wo sie entstehen, nämlich in den Fluchten aus Straßen und Häusern. Nicht einmal Bäume am Straßenrand wären gleichermaßen effektiv, da deren Baumkronen die verschmutzte Luft in engen Straßen am Boden hielten.
Pflanzliche Dämmung
Da Pflanzen CO2 speichern, wirken sie sich generell positiv auf das Klima aus. Je nach Art der Begrünung gilt letzteres auch für das Raumklima. Forschungen der TU Darmstadt zufolge ist eine mit Efeu bewachsene Außenwand im Winter drei Grad wärmer als der Efeu. Bei wandgebundenen Systemen beträgt der Unterschied gar bis zu sieben Grad. Im Sommer wiederum erzielen begrünte Fassaden durch Verschattung und Verdunstungskühlung enorme Kühleffekte. So wurde bei einer bodengebunden begrünten Fassade zwei Zentimeter vor der Begrünung Unterschiede zwischen acht und 19 Grad zu einer weiß- und einer dunkelverputzten Fassade gemessen. Obendrein war auch die Umgebungstemperatur vor der grünen Wand teils deutlich niedriger.
Nicht alles ist sinnvoll
Wer sein Haus lediglich aufgrund der Dämmwirkung begrünen möchte, sollte bedenken, dass die winterliche Dämmleistung bei bereits vollgedämmten Häusern vernachlässigbar ist. Auch sollte etwa in Nähe einer Zuluftansaugung auf pollenreiche Pflanzen verzichtet werden, da hier Pollen, Sporen und Insekten eingetragen werden könnten. Unterm Strich lohnen sich allerdings Kosten und Pflege von Gebäudebegrünungen, insbesondere einer Fassadenbegrünung. Nicht zuletzt, weil Pflanzen zufriedener und leistungsfähiger machen, wie eine Studie britischer Psychologen 2014 zeigte.