Von der Arktis bis zur Sahara: Bauen in extremen Klimazonen

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Ob Nordpol, Südpol oder Wüsten – eines haben die abgelegensten Regionen dieser Erde gemeinsam: ihren Reichtum an Bodenschätzen. Der macht Baustandorte in sandigen Einöden oder ewigem Eis ökonomisch höchst attraktiv. Neben den klimatischen Herausforderungen muss sich Architektur dann mit einem eklatanten Mangel an Infrastruktur auseinandersetzen. Diese drei Beispiele zeigen, dass ihr das sehr wohl gelingt.

Kupfermine in der Wüste

Mit einem Jahresniederschlag von maximal 75 Millimetern ist die chilenische Atacama-Wüste eine der trockensten Gegenden der Erde. Inmitten der wüsten Einöde liegt die Kupfermine Ministro Hales. Große Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht sowie extremer Wind machen das Leben und Arbeiten hier schwierig. Auch Bauen ist eine Herausforderung. Das „Centro Integrado de Operaciones“, der 4.800 Quadratmeter große Verwaltungs- und Sozialkomplex, wurde 2014 vom Architekturbüro COXARQ arquitectos aus Santiago de Chile realisiert. Vier Baukörper mit dazwischenliegenden Innenhöfen bieten den Mitarbeitern den Komfort eines offen gestalteten, modernen Bürogebäudes – und Schutz vor Hitze, Kälte, Wind und Sand. Die Fassade aus kupferfarbenem Cortenstahl und Glas trägt nicht nur den extremen klimatischen Verhältnissen Rechnung. Lichtführung, Farbe und Geometrie passen das Ensemble auch ästhetisch in die Wüstenlandschaft ein.

Forschungsstation am Südpol

Lee Sang Leem ist überzeugt: Die Natur hat die Antarktis für die Ewigkeit geschaffen, nicht für den Menschen. Den Auftrag zum Bau der Jang Bogo Antarctic Research Station nahm der südkoreanische Architekt von SPACE Group dennoch an. Seit Anfang 2014 trotzt die Forschungseinrichtung in der Bucht von Terra Nova Temperaturen bis minus 40 Grad Celsius und Windgeschwindigkeiten von bis zu 234 km/h. Wissenschaftler testen hier Geräte, Ausrüstung und neue Materialien unter extremen Bedingungen. Gebaut wurde in Modulbauweise in zwei aufeinanderfolgenden Sommern – jeweils nur 65 Tage am Stück. Vorgefertigte Bauteile und Equipment gelangten mit Eisbrechern an ihren Bestimmungsort. Die aerodynamische, dreiarmige Struktur des Hauptgebäudes bietet dem Wind kaum Angriffsfläche. Die Gebäude stehen erhöht mit wenigen Berührungspunkten zum Boden. Geneigte Wände und Dächer minimieren den Kontakt zu Eis und Schnee. Rostfreier Stahl schützt Fundamente und erdnahe Gebäudeteile vor Tauwasser. Dank herausragender Dämmung herrscht in den Innenräumen eine konstante Temperatur von 20 Grad Celsius und eine relative Luftfeuchtigkeit von 40 Prozent.

Arktis-Airport in der kanadischen Provinz

Laut Schätzungen des US Geological Survey befinden sich rund 13 Prozent aller Erdölvorräte und 30 Prozent der Gasreserven rund um den Nordpol. Die Infrastruktur für ihre Erschließung muss allerdings noch gebaut werden. Mit dem New Iqaluit International Airport hat die kanadische Provinz Nunavut einen entscheidenden Schritt getan. Die Projektverantwortlichen von Stantec Architecture mussten dafür einiges leisten. Der 2017 fertiggestellte Flughafen ist auf extremste Witterungsbedingungen ausgelegt. Windgeschwindigkeiten bis 130 km/h und meterhohe Schneeverwehungen gehören zum Alltag. Eine ausgeklügelte, geschwungene Dachkonstruktion lässt die Schneeanhäufungen mehrere Meter vom Terminal entfernt entstehen.

Das Bauen eines fußballfeldgroßen Gebäudes auf Dauerfrostboden war eine weitere Herausforderung. Die Ingenieure meisterten sie mit einer Thermosiphonanlage unter dem Fundament. Weil arktische Winter dunkel und die Energiekosten hoch sind, optimierte eine Modellierungssoftware zudem den Lichteinfall bei möglichst geringer Fensterfläche. In der Arktis erfüllen Gebäude vielfältige Funktionen. Der Flughafen wurde deshalb nicht nur als Verkehrsdrehkreuz geplant. Er ist auch Treffpunkt für die Einheimischen. Der Ankunftsbereich mit Sitzgelegenheiten und Restaurants erinnert an ein Iglu. Die Wände schmücken Werke von Inuit-Künstlern.

Das Bauen in extremen Klimazonen – ob in Wüsten, in den Bergen oderim ewigen Eis – ist eine Herausforderung. Es ist aber auch eine Chance. Denn mit der Erschließung schwer zugänglicher Regionen bekommt gebaute Umwelt eine soziale Bedeutung.