KI im Bauwesen: André Borrmann über wissensbasiertes Engineering
Stellen Sie sich einen durchgängigen digitalen Workflow vor, mit dem ein Tragwerksplaner den Gebäudeentwurf des Architekten direkt für seine statischen Berechnungen in die Statiksoftware übernehmen und anschließend die Berechnungsergebnisse in die Ausführungsplanung des Bauzeichners einfließen lassen kann- und das alles, ohne dass wichtige Informationen verloren gehen oder Fehler passieren. Das ist kein Wunschdenken, sondern das Versprechen eines integrierten Design-to-Build-Ansatzes, der die Art und Weise, wie heute erfolgreiche Projekte realisiert werden, revolutioniert. Und so funktioniert es.
Folgendes Szenario: Ein Architekt entwirft ein geniales Konzept für ein neues medizinisches Zentrum. Als Nächstes kommt der Tragwerksplaner ins Spiel. Anstatt auf der Arbeit des Architekten aufzubauen, muss er bei null anfangen und das gesamte Modell in der von ihm verwendeten Statiksoftware mühsam neu erstellen. Wochen vergehen, dann kommt der Bauzeichner hinzu, der die Aufgabe hat, die Arbeit des Ingenieurs in präzise konstruktive Details umzusetzen.
Kommt Ihnen das bekannt vor? Dieser inkonsistente Workflow zwischen Architekten, Ingenieuren und Bauzeichnern ist seit langem ein Problem in der Baubranche und führt zu Ineffizienz, die sich kein Projekt leisten kann. Aber was wäre, wenn es anders ginge? Was wäre, wenn es eine Möglichkeit gäbe, diese Phasen nahtlos miteinander zu verbinden?
Nahtlose Übergabe des Architekturmodells
Die Wahrung der Datenintegrität zwischen architektonischem Entwurf und Tragwerksplanung ist für den Projekterfolg von grundlegender Bedeutung. Wenn diese Disziplinen isoliert voneinander arbeiten, geht wertvolle Zeit für die Neuerstellung von Modellen verloren und es kommt zu einer Vervielfachung von Informationsfehlern.
Ein integrierter Ansatz begegnet dieser Herausforderung durch umfassende multidisziplinäre Plattformen, die offene Standards unterstützen. Diese Interoperabilität führt dazu, dass Bauingenieure Architekturmodelle von verschiedenen Softwarelösungen direkt verwenden können, ohne von vorne anfangen zu müssen. Der Arbeitsablauf bewahrt die Entwurfsabsicht des Architekten und ermöglicht es Tragwerksplanern gleichzeitig, die baustatische Umsetzbarkeit und Durchführbarkeit des architektonischen Entwurfs zu gewährleisten. Das Ergebnis: weniger Fehler, eine höhere Genauigkeit und erhebliche Zeiteinsparungen bei der kritischen Übergabe des Architekturmodells an die Tragwerksplanung.
Umwandlung von Architekturmodellen für die statische Berechnung
Die Umwandlung von Architekturmodellen in statische Berechnungsmodelle erforderte bisher einen hohen manuellen Nachbearbeitungsaufwand. Moderne Werkzeuge automatisieren diesen Prozess und geben Tragwerksplanern gleichzeitig die volle Kontrolle über das Ergebnis.
Fortschrittliche Workflows können Architekturmodelle in mehreren Schritten intelligent verarbeiten:
> Das Modell wird um nichttragende Elemente bereinigt
> Tragende Bauteile werden erkannt, bereits zugeordnete Materialien werden korrekt erfasst
> Die korrekte Ausrichtung der Bauteilachsen wird sichergestellt
Das idealisierte Modell lässt sich in Form einer SAF-Datei (Structural Analysis Format) in gängige Statiksoftware einlesen und bietet eine hervorragende Grundlage für die statischen Berechnungen.
Diese Automatisierung ermöglicht es Bauingenieuren, die vollständige Kontrolle über die Eingabedaten für die statischen Berechnungen zu behalten und gleichzeitig redundante Modellierungsarbeiten zu vermeiden. Die Vorteile liegen nicht nur in der Zeitersparnis, sondern auch in mehr Präzision und Konsistenz.
Moderne statische Berechnungen am 3D-Modell
Die heutigen statischen Herausforderungen erfordern hochentwickelte Berechnungsmethoden, die sich nahtlos in den Entwurfsprozess integrieren lassen. Die moderne Statik verwandelt traditionell zeitaufwändige Arbeiten in einen effizienten Workflow, der die Verbindung zur ursprünglichen Entwurfsabsicht aufrechterhält. Effektive Berechnungswerkzeuge ermöglichen eine schnelle Bewertung von einfachen bis hin zu komplexen Tragwerken unter Verwendung modernster Technologien, die es Ingenieuren ermöglichen, so zu arbeiten, wie sie es bevorzugen.
Durch die nahtlose Ableitung des statischen Modells aus dem Architekturmodellkönnen Ingenieure sofort mit dem Aufbringen von Lasten, dem Definieren von Randbedingungen und der statischen Berechnung beginnen, wodurch mühsame händische Modellvorbereitungen überflüssig werden. Diese direkte Verbindung spart nicht nur Zeit, sondern stellt auch sicher, dass der Entwurfsprozess der ursprünglichen Vision des Architekten treu bleibt und gleichzeitig eine zuverlässige und effiziente statische Bewertung des Modells ermöglicht.
Die hinzugewonnene Zeit kann der Tragwerksplanern für Optimierung des Tragwerks aufbringen. Anstatt viel Zeit an die Erstellung und Verwaltung von Modellen zu verlieren, können Ingenieure alternative Entwürfe für das Tragwerks bewerten und verschiedene Materialoptionen vergleichen, um nachhaltigere Entscheidungen zu treffen, indem sie neben der Tragfähigkeit auch die Auswirkungen des Tragwerks auf die Umwelt berücksichtigen. Das ermöglicht effizientere Lösungen, die Wirksamkeit, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit vereinen.
Nahtloser Informationsaustausch durch bidirektionale Arbeitsabläufe
Ein bidirektionaler Informationsfluss ist für moderne Bauprojekte unerlässlich. Im Gegensatz zu den traditionellen einseitigen Arbeitsabläufen, bei denen Daten nur vom Entwurf zur Bauausführung gelangen, erfordern erfolgreiche Projekte heutzutage einen reibungslosen Informationsfluss in beide Richtungen während des gesamten Projektlebenszyklus.
Beispielsweise können Bewehrungsanforderungen, die sich aus der Tragwerksanalyse und dem Entwurf ergeben, direkt als native, vollständig editierbare Objekte an das Tragwerksmodell zurückgegeben werden. Bei Bedarf lassen diese Bewehrungsinformationen sogar mit dem Architekturmodell kombinieren, um eine vollständige digitale Darstellung zu erhalten.
Auch die Teams sind heute weiter verteilt als je zuvor. Cloudbasierte Zusammenarbeit ist daher unerlässlich, um sicherzustellen, dass alle Beteiligten unabhängig von ihrem Standort auf aktuelle Informationen zugreifen können. Effektive Softwaretools für die Dokumentation straffen die Projektabwicklung durch einfache Verbreitung von Entwürfen, die automatische Formatkonvertierung, die Revisionsverfolgung und die ständige Verfügbarkeit.
Offene Standards bilden die Grundlage für diesen Austausch und gewährleisten die langfristige Verfügbarkeit der Daten - was gerade bei Infrastrukturprojekten mit einer Lebensdauer von mehreren Jahrzehnten von entscheidender Bedeutung ist. Anstatt Projektdaten in proprietären Formaten zu speichern, wird bei offenen Ansätzen die Datenintegrität an jedem Übergangspunkt gewahrt.
Eine gemeinsame Datenumgebung (Common Data Environment, CDE) dient als Dreh- und Angelpunkt dieses Prozesses und bietet eine single source of truth, in der Projektinformationen gespeichert werden, die für alle Teammitglieder zugänglich bleiben.
Effiziente Ausführungsplanung und Kostenverwaltung
Die Ausführungsplanung im Bauwesen, in der Berechnungsergebnisse der Statik in präzise Baupläne umgesetzt werden, ist oft sehr ressourcenintensiv. Ein integrierter Design-to-Build-Ansatz verändert diese kritische Phase durch Automatisierung und einen nahtlosen Informationsfluss.
Effiziente Detaillierungsworkflows ermöglichen es Bauzeichnern, präzise Bewehrungsdetails, Spezifikationen von Verbindungen und Bauabläufe schnell zu entwickeln. Dank der automatischen Erstellung von Ausführungs- und Verlegeplänen lässt sich viel Zeit sparen und Fehler reduzieren. Die Pläne können auch in Übereinstimmung mit nationalen Normen und Praktiken erstellt werden, wodurch die Entwurfsabsicht effektiv an Auftragnehmer oder Hersteller kommuniziert werden kann. Diese standardisierte Darstellung hilft, kostspielige Fehlinterpretationen und das Nacharbeiten während der Bauphase zu vermeiden.
Moderne Detaillierungsprozesse sollten mehrere Baumaterialien unterstützen, einschließlich Stahlbeton, Fertigteile und Baustahl, mit spezifischen Funktionen für jeden Materialtyp. Die Unterstützung von DfMA-Workflows (Design for Manufacturing and Assembly) ist ebenfalls von entscheidender Bedeutung, da sie es den Teams ermöglicht, Details zu erstellen, die für die Vorfertigung und eine effiziente Montage vor Ort optimiert sind. Bei Betontragwerken führt die automatische Bewehrungsplanung zu erheblichen Zeiteinsparungen, da Biegelisten, Verlegepläne und Mengenermittlungen auf der Grundlage der Berechnungsergebnisse automatisch erstellt werden.
Diese Effizienzsteigerungen in der Detaillierung führen direkt zu Kosteneinsparungen. BIM-gesteuerte Detaillierungsprozesse senken die Baukosten weiter durch genauere Mengenberechnungen, frühzeitige Erkennung von Problemen bei der Baubarkeit und den optimierten Materialeinsatz.
Moderne Werkzeuge können dazu beitragen, die Genauigkeit der Detaillierung zu verbessern, sodass Ingenieure und Bauzeichner eine baureife Dokumentation mit weniger Fehlern und Auslassungen erstellen können. Die Kombination aus detaillierter Dokumentation, Präzision, verbesserter Baubarkeit und Kostenkontrolle schafft spürbare Vorteile für alle Projektbeteiligten.
Intelligenter bauen mit Design-to-Build
In der heutigen komplexen Baulandschaft ist ein integrierter Planungsansatz nicht nur vorteilhaft, sondern unerlässlich, um Projekte zu realisieren, die den immer anspruchsvolleren Zeitplänen, Budgets und Nachhaltigkeitsanforderungen gerecht werden. Die Tragwerksplanung wird von einer Reihe nicht zusammenhängender Schritte in einen kohärenten und effizienten Arbeitsablauf umgewandelt, indem die architektonische Planung, die Tragwerksplanung und die Ausführungsplanung miteinander verbunden werden. Durch die nahtlose Verknüpfung aller Phasen des Gebäudelebenszyklus entsteht ein leistungsfähiger, einheitlicher Prozess, der Projekte präzise und effizient zum Leben erweckt.