Ulrich Finsterwalder Ingenieurbaupreis – Das sind die 5 ausgezeichneten Projekte

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Alle zwei Jahre verleiht der Verlag Ernst und Sohn den Ulrich Finsterwalder Ingenieurbaupreis, im Februar 2017 zum 15. Mal. Herausragende Leistungen im Konstruktiven Ingenieurbau sollen damit stärker im öffentlichen Bewusstsein verankert werden. Die Jury entscheidet aufgrund von fünf Bewertungskriterien: Konstruktion, Innovation, Interdisziplinarität, Nachhaltigkeit und Ästhetik. Sie setzt sich aus Experten des Bauingenieurwesens und der Architektur in Wirtschaft und Wissenschaft zusammen. Der Namensgeber der Auszeichnung, Ulrich Finsterwalder, prägte den deutschen Ingenieurbau über viele Generationen und gilt als einer der bedeutendsten Weiterentwickler des Stahlbeton- und Spannbetonbaus der Welt.

Preisträger 2017: Die Kochertalbrücke in Geislingen

 

Dieses Bauwerk wurde zwischen 1976 und 1979 unter maßgeblicher Beteiligung von Fritz Leonhardt errichtet, einem der wichtigsten deutschen Bauingenieure. Der Spannbetonbau überbrückt eine Länge von 1128 Metern und erreicht eine maximale Höhe von 185 Metern. Damit gehört die Kochertalbrücke zu den höchsten Balkenbrücken weltweit. Zwischen 2013 und 2015 führte das Ingenieurbüro Leonhardt, Andrä und Partner Ertüchtigungsmaßnahmen durch, in Kooperation mit dem Regierungspräsidium Stuttgart und der bauausführenden Firma Leonhard Weiss aus Ludwigsburg.

Ziel war es, das Bauwerk zu erhalten und denkmalgerecht zu festigen. Die Planer vertieften sich in die Bestandsstatik und entdeckten dabei stille Reserven des Brückentragwerks. Somit waren nur minimalinvasive Maßnahmen notwendig. Die Jury des Ulrich Finsterwalder Ingenieurbaupreises schätzte insbesondere die Verbindung aus historischer und baustatischer Analyse.

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Auszeichnung für das Schlingrippengewölbe der Schlosskapelle im Residenzschloss Dresden

 

In der historischen Schlosskapelle zu Dresden sollte ein figuriertes Rippengewölbe spätmittelalterlicher Prägung entstehen. Dies ist dem Büro KRÖNING UND SCHRÖTER Ingenieurpartnerschaft Tragwerksplanung gelungen. Dafür setzten sie sich mit historischen Bauweisen und deren Tragwirkung auseinander. Die gewonnenen Erkenntnisse kombinierten sie mit modernen baustatischen Anforderungen und erschufen ein Gewölbe mit hoher Ästhetik und viel Liebe zum Detail. Die Arbeiten zum Wiederaufbau der Schlosskapelle laufen seit 2009, die ausgezeichnete Konstruktion wurde 2013 fertiggestellt.

Auszeichnung für die neue Tramhaltestelle am Hauptbahnhof Berlin

Dieser moderne Haltepunkt wird von zwei symmetrisch geschwungenen Betonschalen überdacht. Sie erstrecken sich über eine Länge von je 58 Metern und einer Breite von sechs Metern. Die Jury lobte das elegante Dachtragewerk, denn es minimiert Biegemomente, nicht zuletzt durch den innovativen Einsatz eines hochfesten Leichtbetons. Dieser wird durch eine nicht-rostende Bewehrung gestützt. Die Schalendicke beträgt am Rand nur sieben Zentimeter. Schlaich Bergermann Partner entwickelten als Dach eine punktgestützte Platte, die in den äußeren Bereichen keine Krümmung aufweist.

Auszeichnung für das Wasserkraftwerk Hagneck

Ein weiterer Neubau, diesmal am Bieler See in der Schweiz gelegen, überzeugte die Jury des Ingenieurbaupreises durch seine Nachhaltigkeit und gestalterische Sorgfalt bei der Ausführung. Der Penzel Valier AG aus Zürich ist es in Zusammenarbeit mit Raymond Vogel Landschaftsarchitekten gelungen, die Gesamtanlage in ihren landschaftlichen Kontext einzubinden. Mit dem neuen Wasserkraftwerk Hagneck kann 40 Prozent mehr Strom als mit dem alten, hundertjährigen Werk erzeugt werden. Außerdem ermöglicht der Bau eine höhere Abflusskapazität und umfasst ein naturnahes Umgehungsgerinne für Fische.

Auszeichnung für das Schiffshebewerk am Drei-Schluchten-Staudamm in Sandouping (China)

Das Joint Venture Krebs + Kiefer/Lahmeyer International stellte sich der außerordentlich komplexen Bauaufgabe, ein Schiffshebewerk mit einer Hubhöhe von 113 Metern zu errichten. Das weltweit einzigartige Tragwerk ist zugleich Bestandteil der maschinentechnischen Anlage. Partner aus dem Maschinenbau, der technischen Ausrüstung, der Konstruktion und Bemessung arbeiteten interdisziplinär für die tragenden Bauteile zusammen. Aufgrund der extremen Genauigkeitsanforderungen modellierten sie das Schiffshebewerk und wendeten wirklichkeitsnahe Werkstoffgesetze an, um Tragwerksverformungen vorauszubestimmen.

Offizielle Preisverleihung im Februar 2017

34 Einreichungen hatte die Jury für den diesjährigen Wettbewerb erhalten. Am 11. November 2016 gab sie ihre Entscheidung für die fünf vorgestellten Projekte bekannt, die in ihren Augen am besten die Ansprüche an Innovation, Nachhaltigkeit, Interdisziplinarität, Ästhetik und Konstruktion erfüllten. Die offizielle Verleihung des Ulrich Finsterwalder Ingenieurbaupreises findet am 10. Februar 2017 im Rahmen einer Festveranstaltung im Deutschen Museum in München statt.