U-Bahnsteige sind graue, freudlose Orte, die man schnellstmöglich wieder verlassen möchte? Nicht in Stockholm. Das Metro-Netz in der schwedischen Hauptstadt ist vielmehr eine Spielwiese für Kreative: Über 150 Architekten, Maler, Bildhauer und Inszenierungskünstler haben sich in der „Tunnelbana” verewigt. Das Ergebnis ist eine beeindruckende Werkschau in der Tiefe, die beweist, dass U-Bahnhofsarchitektur alles andere als langweilig ist.
Metro mit Tradition
Die ersten Stationen der Stockholmer „Tunnelbana” – oder „T-Bana”, wie die U-Bahn auch genannt wird – wurden in den 1930er Jahren gebaut. Heute verbindet das System mit 110 Kilometern Gleisstrecke nicht nur unterschiedliche Endstationen mit unaussprechlichen Namen, sondern auch die 14 Inseln der Stadt mit dem Festland. Rolltreppen und Fahrstühle führen durch hartes skandinavisches Granit hindurch zu den Bahnsteigen in der Tiefe. 100 Bahnhöfe gibt es, verteilt auf drei Linien: rot, grün und blau. Das Besondere: Mehr als 90 davon schmücken Kunstwerke. Seit Mitte der 1950er Jahre ist es Tradition, dass jede neue Station ihre eigene kreative Inszenierung bekommt.
Solna Centrum: Die rote Höhle
So unterschiedlich die Stockholmer Metro-Stationen gestaltet sind, viele von ihnen haben eine Besonderheit: Sie bestechen durch ihre farbigen Felsstrukturen, die den speziellen Stil der Bahnhofsarchitektur ausmachen. Ein besonders beeindruckendes Exemplar dieser Höhlenbahnhöfe ist die Haltestelle „Solna Centrum”. Tiefrot leuchten Decken und Wände – wie glühende Lava oder ein Flammeninferno. Der zarte, grüne Nadelwald darunter, der auf einem Kilometer Länge die Haltestelle ziert, wirkt dagegen sehr friedlich.
T-Centralen: Kreative Schlüsselposition
In der Stadtmitte liegt die Station T-Centralen, an der sich alle Linien kreuzen: Ein Labyrinth über vier Ebenen. Hier fing 1957 alles an. Stockholm bekam seine erste unterirdische Kunst-Inszenierung. Schlanke Weinreben in kobaltblau ranken in den weißen Gewölbehimmel.
www.flickr.com/photos/62405357@N03/30355448735; (CC BY-SA 2.0) T-Centralen
Wandreliefs aus Kacheln, die die Gleise säumen, zeugen vom Deko-Geschmack der Zeit. Wegen ihrer Fliesen werden die Haltestellen aus den 1950er Jahren „Badezimmer-Bahnhöfe” genannt. Wer auf dem Bahnsteig steht, weiß warum.
www.flickr.com/photos/diversey/15368871785; (CC BY 2.0) T-Centralen
Kungsträdgården: Zeitreise in die Vergangenheit
Wer vom Eingang Arsenalsgatan zu den Bahnsteigen der Haltestelle Kungsträdgården möchte, rollt an Efeu berankten Säulen und Büsten vorbei in die Tiefe. Auch unten fühlt sich der Reisende eher wie an einem archäologischen Ausgrabungsort als in einer Metro-Station. Der Bahnhof ist wie ein unterirdischer Garten angelegt. Er erzählt die Geschichte des Barock-Parks, der einst an der Oberfläche angelegt war und zum mittlerweile zerstörten Makalös Palast gehörte. Die Steine und Büsten sind teilweise Überreste. Auch der Efeu ist echt. Leuchtstrahler liefern nicht nur das notwendige Licht für die Pflanzen. Sie sorgen auch für die passende mystische Atmosphäre in der geheimnisvollen Grottenlandschaft.
www.flickr.com/photos/ingolfbln/10860739505; (CC BY-SA 2.0) Kungsträdgården
Tekniska högskolan: Spiel mit Formen
Die Station Tekniska högskolan nah des Royal Institute of Technology bietet ein weiteres surreales Reiseerlebnis. Ein gigantischer Dodekaeder hängt hier von der Decke. Geometrische Zeichnungen zieren den glatt polierten Bahnsteig und die vorbei rauschenden Züge passen farblich perfekt zum Blau der Gewölbemalerei.
www.flickr.com/photos/62405357@N03/32081435355/; (CC BY-SA 2.0) Tekniska högskolan
In vielen Metropolen der Welt gehört die kreative U-Bahnhofsarchitektur zum touristischen Pflichtprogramm. Stockholm-Besucher können die unterirdische Kunstausstellung offiziell im Rahmen einer Führung erleben. Kostenpunkt: Ein gültiges Metro-Ticket.