Herausforderungen wie hohe Baukosten, Fachkräftemangel und die ökologische Transformation bestimmen auch 2024 die Trends im Bauwesen. Auf der Suche nach der richtigen strategischen Ausrichtung ist insbesondere die künstliche Intelligenz der große Hoffnungsträger.
Bei Überlegungen zu den Trends, die uns 2024 voraussichtlich in der AEC-Branche erwarten, gilt es vor allem eine Frage zu beantworten: Was wird von der Gesellschaft am dringendsten gebraucht? Im Zentrum der Nachfrage stehen nach wie vor ein wachsender Bedarf an Wohnraum, eine Reduzierung der Immobilienpreise für Miete und Eigentum sowie Maßnahmen zur Reduzierung des Einsatzes fossiler Brennstoffe und zum Schutz des globalen Klimas. Daraus ergeben sich neue Chancen und Märkte für alle Beteiligten der Bau- und Immobilienindustrie.
Herausforderung: bezahlbarer Wohnraum und Baukosten
Neues Jahr, altes Problem: Der Wohnungsbau bleibt auch 2024 eines der größten gesellschaftlichen Sorgenkinder. Das erklärte Ziel der Bundesregierung, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu schaffen, wurde 2023 mit rund 270.000 weit verfehlt, was sich einer Prognose des DIW zufolge mit 265.000 neuen Wohneinheiten in diesem Jahr nahezu wiederholen könnte. Andere Quellen zeichnen noch ein wesentlich pessimistischeres Bild. Der ZDB rechnet mit der Fertigstellung von 235.000 Wohneinheiten, das ifo-Institut sogar nur mit 210.000. Damit setzt sich ein negativer Trend fort. 2022 waren es immerhin noch 295.000 neue Wohnungen gewesen.
Laut einer Studie des Pestel-Instituts fehlten Anfang 2023 bereits über 700.000 Wohnungen. Der GdW warnte im September, dass es bis 2025 bis zu einer Million sein könnte. Gerade an bezahlbarem Wohnraum mangelt es. Nach Informationen der WirtschaftsWoche geben aktuell bereits über sieben Millionen Haushalte mehr als ein Drittel ihres Nettoeinkommens für ihre Mietwohnungen aus – ein zunehmender Anteil der Deutschen sind von Armut bedroht.
Hauptgrund für den Rückgang im Wohnungsbau sind in Deutschland steigende Baukosten in Verbindung mit gestiegenen Zinsen für Kredite. Seit 2019 sind die Baukosten aufgrund unterbrochener Lieferketten, steigender Energiepreise und fehlender Fachkräfte um 40 Prozent gestiegen. Innerhalb des letzten Jahres betrug der Anstieg allein 15 Prozent. Damit ist der Neubau von Wohnungen in vielen Regionen unwirtschaftlich geworden: Laut WirtschaftsWoche müssten neue Mietwohnungen unter den aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu 18,10 Euro pro Quadratmeter (kalt) vermietet werden können, um rentabel zu sein. Die Mehrheit der potentiellen Mieter:innen kann sich das allerdings nicht leisten, weil die hohe Inflation monetäre Spielräume verkleinert.
Das hat gravierende Folgen für die Baukonjunktur. Der ZDB rechnet 2024 mit einem weiteren Umsatzrückgang im Wohnungsbau von 13 Prozent (2023 waren es bereits elf Prozent). Dem Verband zufolge wird dies einen Beschäftigungsrückgang im Baugewerbe um etwa 30.000 Angestellte nach sich ziehen.
Trends zu mehr Effizienz im Bauwesen 2024
Auf der AEC-Branche lastet ein hoher Kostendruck. So bilden vor allem Wege, die Unternehmen zu mehr Effizienz und somit zu einem Wettbewerbsvorteil verhelfen, die Trends 2024. Diese lassen sich in organisatorische und technologische Maßnahmen unterteilen.
Prozessoptimierung durch IPA und LEAN
Im Bereich Prozessoptimierung dürften in diesem Jahr vor allem die Integrierte Projektabwicklung (IPA) und LEAN Construction interessant werden. IPA erhöht die Effizienz durch eine enge, transparente Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten von Beginn an, was gleichsam zu Qualitätsverbesserungen und höherer Kostensicherheit führt. LEAN Construction sorgt durch eine Verschlankung und minutiöse Taktung der Produktion für einen reibungslosen, schnelleren und robusten Projektablauf. Da für beide Methoden zur Prozessoptimierung der Austausch valider Informationen und eine reibungslose Kommunikation zwischen den Projektbeteiligten zentral sind, ist eine Kopplung mit BIM für eine effiziente Umsetzung praktisch unabdingbar. BIM-Modelle schaffen ein intuitives und ganzheitliches Projektverständnis für alle Entscheidungs- und Ausführungsebenen.
BIM in der Ausführung, Bauweisen mit hohem Vorfertigungsgrad
Auch die Nutzung von BIM in der Ausführung dürfte ausgeweitet werden, sei es „BIM2Field“ für eine bessere, papierlose Baustelle, „Field2BIM“ in der Baustellenüberwachung oder in maschinengestützten Anwendungen. In diesem Zusammenhang rücken zudem Bauweisen mit hohem Vorfertigungsgrad (wie elementiertes Bauen, Modulbau, Holzbau) in den Vordergrund, da sich hier die Bauzeiten drastisch reduzieren lassen bei gleichzeitig höherer Ausführungsqualität. Insbesondere serielles Bauen könnte sich als bevorzugte (weil günstige und schnelle) Lösung im Geschoßwohnungsbau erweisen.
Herausforderung Klima- und Umweltschutz
Der Klima- und Umweltschutz wird nicht nur bis 2030, sondern weit darüber hinaus ein zentrales Thema im Bauwesen bleiben. Während der Umsatz im Wohnungsbau in diesem Jahr schrumpft, dürften die Aufträge in den Ausbaubereichen Energie und Mobilität sowie im Ingenieur- und Infrastrukturbau durch die voranschreitende Energie- und Verkehrswende zunehmen. Beim Bau von Stromtrassen, Fernwärmenetzen, Schienenwegen, Straßen etc. mangelt es dem ZDB zufolge jedoch weiterhin an Fachkräften. In puncto ökologisches Bauen zeichnen sich derweilen insbesondere im Hochbau bestimmte Trends ab.
Mehr Wärmepumpen und Photovoltaik
Im Rahmen der Energiewende müssen laut Gebäudeenergiegesetz ab diesem Jahr neu eingebaute Heizungen mindestens zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien laufen. Das gilt sowohl für alle Bauanträge ab dem 1. Januar 2024 innerhalb von Neubaugebieten (außerhalb erst ab 2026) als auch für den Austausch bestehender Heizungen. Fossile Energieträger verschwinden damit größtenteils aus Neubauvorhaben. Der Trend geht dafür stark zu Wärmepumpensystemen. Da diese mit Strom betrieben werden, wird vermutlich auch der Einsatz von Photovoltaik und Stromspeichern im Neubau wie im Bestand weiterhin zunehmen, zumal die Energiepreise ebenfalls weiter steigen.
Zunahme alternativer Baustoffe
Neben solchen allgemeinen Trends dürften gleichsam alternative Nischenprodukte für klima- und umweltfreundlicheres Bauen noch stärkeren Zuwachs erfahren. Das heißt, neben Holz als beliebtestem Naturbaustoff, der schon längst kein Nischenprodukt mehr darstellt, werden wohl auch ausgefallenere Alternativen wie Stroh, Lehm und andere Naturprodukte häufiger zum Bauen genutzt werden als bisher.
Ausbau der Kreislaufwirtschaft im Bauwesen
In Sachen Material und Bauweise treten zudem Lösungen für eine zirkuläre und somit klima- und ressourcenschonendere Bauwirtschaft mehr und mehr in den Vordergrund. Wie auch schon beim Thema Wohnungsbau bieten sich dabei insbesondere Formen des elementierten Bauens an, da sich Bauelemente vergleichsweise gut rückbauen und wiederverwenden lassen. Im Zuge dessen werden sich digitale Zwillinge – als Grundlage für die Beherrschung von Komplexität bei der Kreislaufwirtschaft im Bauwesen (beispielsweise beim Anlegen von Materialkatastern) – zwangsläufig weiter etablieren.
Neue Möglichkeiten durch KI im Bauwesen
Wie in allen Branchen wird auch in der Bauwirtschaft generative KI die Grenzen des Möglichen verschieben. Schon jetzt machen KI-Anwendungen das Arbeiten in vielen Bereichen der AEC-Branche leichter, sei es in Form automatischer Baufortschrittsüberwachung, schneller Hochglanzvisualisierungen, automatisierter Standortanalysen oder praktischer Scan2BIM-Modellierungen. Die Liste der Lösungen ist lang und wird durch Forschung und Entwicklung immer länger. Keine andere Technologie besitzt ein derartiges Potenzial zur Prozessoptimierung und Effizienzsteigerung. Deshalb ist davon auszugehen, dass künstliche Intelligenz das Bauwesen 2024 mindestens so stark prägen wird wie die Herausforderungen, die damit adressiert werden.