Vor ein paar Jahren entwickelte Frank Jendrusch ein Konzept für das möglicherweise grünste Gebäude der Welt. Nun wird das Milliardenprojekt womöglich umgesetzt – in Singapur.
Ein allgemeines Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf deutschen Autobahnen würde dem Umweltbundesamt zufolge etwa 1,9 Millionen Tonnen CO2-Emissionen im Jahr einsparen. Das ist so viel, wie 195.976 Deutsche (9,7 Tonnen pro Kopf) zusammen im Durchschnitt jährlich emittieren, also eine ganze Menge. Der Hamburger Immobilienunternehmer Frank Jendrusch hat vor ein paar Jahren ein Gebäudekonzept entwickelt, das ein gutes Fünftel dessen der Atmosphäre entnehmen würde. Supercell – so der Name – ist eine Mikroalgenfabrik, die als Nebeneffekt zur Produktion rund 390.000 Tonnen Kohlenstoff per annum bindet. Inzwischen hat der gewaltige Industriebau gute Chancen, tatsächlich realisiert zu werden, und zwar dort, wo man mit grünen Innovationen im Bau nicht gerade geizt: in Singapur.
Fünf Milliarden Euro, 510 Meter
Apropos Geiz: Mit dem kommt man bei Supercell ohnehin nicht weit. Das Großprojekt wird bei einer Bauzeit von etwa fünf Jahren circa fünf Milliarden Euro kosten. In Deutschland wäre es, so Frank Jendrusch, doppelt so teuer und somit nicht realisierbar gewesen. Für das reiche Singapur ist es hingegen eher aufgrund seiner Dimensionen ein großer Schritt: Mit 510 Metern überragt der Turm selbst das höchste Gebäude des Stadtstaats, das Tanjong Pagar Centre, um 220 Meter. Doch würde er in der Skyline vermutlich auch noch auffallen, wenn er wesentlich kleiner wäre. Die durch LED im Innern permanent belichteten Algen machen das Bauwerk in Verbindung mit seiner Glasfassade zu einem grünen Dauerleuchtturm.
Regenerative natürliche Ressourcen
Das Bauwerk greift für seinen Betrieb auf regenerative natürliche Ressourcen zurück. Zwingend notwendig ist eine unmittelbare Nähe zum Meer, sowohl für den Transport als auch für das zum Kultivieren der Mikroalgen benötigte Meerwasser. Zudem ist die Architektur so konzipiert, dass Supercell als gigantisches Windkraftwerk die enormen Strommengen, die er benötigt, selbst erzeugt. Fünf sich nach oben hin verjüngende Flügel lenken die Windmassen in einen trichterförmigen „Aufwindturm“ (Updraft Tower). Durch den Druckunterschied wird der Wind weiter beschleunigt und treibt spiralförmig angeordnete Generatoren an.
Vielseitige Verwendung für Mikroalgen
Für zusätzlichen Strom könnten mitunter durchsichtige Photovoltaikmodule auf der 475,000 Quadratmeter großen Glasfassade sorgen, die derzeit noch zusammen mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt entwickelt werden. Überschüssige Energie soll in Wasserstoff umgewandelt und gespeichert werden. Für die Mikroalgenzucht arbeitet Frank Jendrusch unter anderem mit Forschern der TU München und der Jacobs University Bremen zusammen. Die Algen sollen eine vielseitige Verwendung finden: unter anderem als Superfood sowie zur Herstellung von Wasserstoff, Biokraftstoffen, Kosmetika, Bioplastik oder Kohlenstofffasern.
Unterm Strich führt Supercell zukunftsweisende Konzepte wie Vertical Farming, innovative Biotechnologie und erneuerbare Energien in einem gigantischen grünen Turm zusammen, der Massen an CO2 „frisst“ und massig Agrarfläche spart. Der Bau könnte noch dieses Jahr starten.