Geht’s noch grüner? Stefano Boeri plant nahe Cancun die vermutlich grünste Smart City der Welt.
Saubere, intelligente Städte, die die großen ökologischen Probleme unserer Zeit mithilfe modernster Technologie lösen – das sind städtebauliche Träume, die derzeit praktisch auf der ganzen Welt verfolgt werden. Viele Metropolen versuchen bereits, Smart-City-Konzepte in Stadtentwicklungsprojekte zu integrieren. Andernorts werden komplette Großstädte von Grund auf so geplant, dass sie möglichst in allen Belangen smart sein werden. Pläne für eine solche Stadt in Mexiko hat kürzlich das Büro von Stefano Boeri vorgestellt. Der italienische Architekt ist bekannt für seine begrünten Hochhäuser. Diesem Hang zum Grün bleibt er auch bei diesem Entwurf eindeutig treu.
Wald, so weit das Auge reicht, und mittendrin eine 557 Hektar große Stadt auf dem höchsten Stand sauberer Technik – so sieht Boeris Vision von seiner Smart Forest City Cancun aus. Das Grün des Waldes wird dabei in ein von Menschenhand kultiviertes überführt. 7,5 Millionen Pflanzen, darunter zahlreiche Baum- und Straucharten, die von der Botanikerin und Landschaftsarchitektin Laura Gatti ausgewählt wurden, sollen die Stadt bevölkern. Zusammen mit 130.000 humanoiden Einwohnern, versteht sich. 2,3:1 soll allein das Verhältnis Bäume zu Menschen betragen. Die üppige Pflanzenwelt in Parks und Gärten, auf Dächern und an Fassaden wird dabei 116.000 Tonnen CO2 speichern und 5.800 Tonnen im Jahr einsparen.
Nahrungs- und energieautark
Die Firma Transsolar mit Sitz in Stuttgart und München soll dafür sorgen, dass die Waldstadt dank rigoroser Kreislaufwirtschaft komplett nahrungs- und energieautark wird. Hierzu trägt ebenso ein Ring von Sonnenkollektoren bei wie auch landwirtschaftlich genutzte Felder, die durch einen unterirdischen Kanal bewässert werden. Überhaupt spielt Wasser eine tragende Rolle: In einem großen Bassin vor der Stadt wird Meerwasser aufgefangen, entsalzt und in befahrbare Kanäle weitergeleitet. „Wassergärten“ dienen als Schutz gegen Überschwemmungen. Auf dem Trockenen sorgt wiederum ein halbautomatisiertes Verkehrssystem von MIC (Mobility in Chain) für eine autofreie Stadt.
Zentrum für Nachhaltigkeit
Die Smart Forest City befindet sich nicht nur im Einklang mit der Natur, sie dient dieser auch auf andere Weise: Boeri sieht sie als Zentrum für interdisziplinäre Spitzenforschung in Sachen Nachhaltigkeit und der Zukunft unseres Planeten. Dies schließt Felder wie Molekularbiologie, Robotik, IT und andere mit ein. Sämtliche Forschungsinstitute, internationale Organisationen und Unternehmen der Welt, die sich mit diesen Themen befassen, könnten hier untergebracht werden. Die Einwohner wären somit in erster Linie Forscher, Entwickler, Lehrende und Studenten – und die Stadt selbst quasi eine Art großes Nachhaltigkeitsexperiment.
Zu grün, um wahr zu werden
Insgesamt klingt die Idee wohl heutzutage noch ein Bisschen zu idealistisch, um tatsächlich wahr zu werden. Nichtsdestotrotz wurde der Entwurf den örtlichen Behörden vorgelegt – in der Hoffnung, dass die kluge Waldstadt eine riesige Shopping-Mall ersetzt, die eigentlich an dieser Stelle gebaut werden soll. Die Stadt Cancun steht somit vor der höchst symbolischen Entscheidung zwischen einem „Weitermachen wie gehabt“ und einem progressiven Schritt Richtung einer nachhaltigere Zukunft.