Brillanter Umbau: Steimle Architekten verwandeln eine alte Scheune in der schwäbischen Provinz in eine preisgekrönte Bücherei.
Kressbronn am Bodensee ist vielleicht nicht der erste Ort, an dem man nach einer Perle zeitgenössischer Architektur suchen würde. Die Bebauung in der Kleinstadt ist weitgehend gekennzeichnet von traditionellen ländlichen Typologien, wie sie überall in der Region zu sehen sind und vielfach auch die Gebäude neueren Datums prägen. Nichtsdestotrotz findet sich hier seit 2018 ein modernes architektonisches Kleinod – und zwar sowohl aufgrund dieses typischen Bestands als auch auf dessen Grundlage: die neue Stadtbücherei.
Die erwähnte Grundlage für die neue Bücherei in Kressbronn bildet ein Stadel aus dem Jahr 1923. Mit ihrem imposanten, weit auskragenden Satteldach stellt diese fast hundertjährige Scheune eine Landmarke im Ortskern dar, dem sich die Bewohner der Kleinstadt emotional verbunden fühlten. Um das alte Gebäude seiner neuen Nutzung als Kulturstätte zuzuführen und gleichzeitig dessen einmaligen Charakter zu bewahren, wurde es nach einem Entwurf von Steimle Architekten aus Stuttgart zurückgebaut und an als moderne Weiterentwicklung seiner selbst neuerrichtet.
Alter Umriss, modernes Herz
Im Umriss stimmt das Haus noch mit dem Bestand überein. In Fassadengestaltung, Materialwahl und Innenausbau zeigt sich die Bücherei jedoch unmissverständlich zeitgenössisch. Der historische Backsteinsockel wurde durch einen aus Dämmbeton ersetzt, der sich zudem als monolithische „Skulptur“ in Treppen, zusätzlichen Räumen und einer Empore fortsetzt. Nach Erstellung dieses neuen Sockels wurde das alte Holztragwerk in seiner ursprünglichen Konstruktionsweise darauf neu errichtet. Dessen freiliegende Träger schaffen im Innern einen warmen Kontrast zum Sichtbeton.
Neue Offenheit
Die zuvor eher verschlossene Scheune öffnet sich in ihrer neuen Gestalt vielfach in Form einer lamellierten Lattung mit dahinterliegenden hohen Fenstern. Insbesondere an den verglasten Giebeln sorgt diese Vorhangfassade für eine geradezu luftige Transparenz, die dem mächtigen Baukörper eine gewisse Leichtigkeit verleiht. Einerseits neue Quelle natürlichen Lichts, setzt diese Fassadengestaltung das Bauwerk andererseits durch die Innenbeleuchtung nun auch äußerlich in Szene. Ebenfalls Teil des Revitalisierungskonzepts ist eine neue Wegeverbindung zwischen Bücherei, Rathaus und Festhalle, die diese drei wichtigen Solitäre des Ortskerns nun in Beziehung zueinander setzt.
Preisgekrönter Umbau
Die hohe architektonische Qualität dieses besonderen Umbaus von Steimle Architekten wurde bereits durch eine Reihe von Preisen gewürdigt, darunter best architects awards 20, Deutscher Holzbaupreis 2019 (Kategorie Bauen im Bestand) oder materialPREIS 2019 (2. Auszeichnung Kategorie Materialeinsatz). Zuletzt schaffte es der Hybridbau zudem unter die Top 3 beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis, verfehlte den ersten Preis allerdings knapp.