Der Städtebau steht vor großen Herausforderungen. Immer mehr Menschen drängen in die Metropolen und benötigen bezahlbaren Wohnraum. Doch nicht nur die Mieten steigen in den Großstädten, sondern auch die Ansprüche der Bewohner, beispielsweise in Bezug auf die durchschnittliche Wohnfläche pro Person. Gleichzeitig soll Architektur nachhaltiger und energieeffizienter werden. Ein möglicher Ansatz sind sogenannte Roofboxes, die auf die Dächer bestehender Gebäude gesetzt werden.
Österreichisches Forschungsteam entwickelt erste Roofbox
Am 16. September 2016 wurde es offiziell vorgestellt: das erste Musterhaus einer Roofbox. Es ist das Ergebnis eines zweijährigen österreichischen Forschungsprojekts, bei dem zahlreiche Partner mitgewirkt haben: das Institut für nachhaltige Technologien (AEE), das SIR – Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen, Haas Fertigbau Holzbauwerk GmbH & Co. KG, Nussmüller Architekten ZT GmbH und TBH Ingenieur GmbH.
Bei der Roofbox handelt es sich um eine vorgefertigte Raumzelle in Holzbauweise. Sie besteht aus großformatigen Wand- und Dachteilen sowie einer integrierten Photovoltaik-Anlage. Die kastenförmigen Boxen werden auf bestehende Gebäude aufgesetzt und schaffen dadurch zusätzlichen Wohnraum auf den Dächern von Städten.
Innovative Wohnkonzepte mit Roofboxes für Paris in Planung
Dank des Gesetzes „Loi ALUR“ ist es seit 2014 möglich, die Gebäude in Frankreichs Städten nach oben auszubauen. Es beinhaltet neben einer Mietpreisbremse neue Normen im Baurecht und verändert die grundlegenden Prinzipien des Städtebaus. Insbesondere der Koeffizient, der die Dichte von Konstruktionen beschränkte, wurde abgeschafft.
Mit Roofboxes sollen Mietwohnungen geschaffen werden, die 40 Prozent günstiger sind als der durchschnittliche Marktwert. Im Gegensatz zum österreichischen Mustergebäude, das bis zum Passivhausstandard ausgebaut werden kann, sollen die Kastenwohnungen in Paris sogar den Plusenergiehaus-Standard erfüllen.
Hauseigentümer können sich bei dem sozialen Unternehmen „Les Toits du Monde“ (Die Dächer der Welt) bewerben. Entspricht ihre Immobilie den notwendigen Kriterien, errichtet die Organisation auf dem Dach eine Roofbox. Im Gegenzug erhält der Eigentümer eine grundlegende Sanierung seines Gebäudes, beispielsweise eine neue Wärmedämmung, Fassade oder Aufzüge. Erste Projekte sind bereits in der Umsetzung.
Roofboxes haben zahlreiche Vorteile
Eine nachhaltige Raumplanung nimmt in den Städten stetig an Bedeutung zu. Der Flächenverbrauch ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Um die Nutzung dieser endlichen Ressource zu minimieren, können Roofboxes eingesetzt werden. Sie dienen zur Nachverdichtung von bestehendem Wohnraum. Da die Konstruktion in modularer Bauweise erfolgt und viele Teile vorgefertigt werden, ist die Bauzeit vor Ort relativ kurz. Die Belästigung durch Baumaßnahmen hält sich für die Bewohner in Grenzen.
In Kombination mit erneuerbaren Energiequellen und einer umfassenden Sanierung sinkt die Betriebsenergie des Gesamtgebäudes. Durch den in der Höhe geschaffenen Wohnraum reduziert sich auch der mobilitätsbedingte Energieverbrauch. Gleichzeitig können Roofboxes in Großstädten der Zersiedlung entgegenwirken.
Das österreichische Forscherteam sieht in den Roofboxes zudem einen Antreiber für Sanierungen. Bauherren können kostengünstig neue verkauf- und vermietbare Nutzflächen errichten und damit leichter hochwertige Bestandssanierungen für mehr Nachhaltigkeit finanzieren.
Der größte Nachteil von Roofboxes: die Ästhetik
Gegenüber den zahlreichen Vorteilen verliert das Gebäude an Ästhetik. Die Roofboxes enthalten zwar alles, was Menschen zum Wohnen benötigen, doch sind die äußeren und inneren Gestaltungsmöglichkeiten begrenzt. Amorphe Bauformen beispielsweise sind derzeit noch nicht möglich bzw. geplant. Im Vordergrund steht die Schaffung von bezahlbarem, nachhaltigem Wohnraum. Und die Nachfrage ist riesig. Für Stadtplaner und Architekten ergeben sich mit Roofboxes neue Möglichkeiten, ein angenehmes urbanes Klima für alle Bevölkerungsschichten zu schaffen.