Paint it white – Reflektierende Oberflächen gegen Hitze

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Auch wenn mancher Machthaber dieser Welt es nicht wahrhaben will, ist sich doch das Gros der Klimaforscher einig, dass die globale Erwärmung real ist und gravierende Folgen für uns alle haben wird, sofern wir sie nicht aufhalten. Die Bekämpfung der Ursachen, vor allem die Reduzierung von Treibgasen, schreitet nur schleppend voran, sodass Wissenschaftler auf der ganzen Welt in alle Richtungen forschen, wie man dem Klimawandel effizienter entgegenwirken kann. So zeigen etwa neueste Forschungsergebnisse, dass reflektierende Oberflächen einen starken Einfluss auf das lokale Klima haben können. Werden unsere Städte also in Zukunft womöglich weißer?

Da die anvisierten Ziele zur Reduzierung von Treibgas-Emissionen selbst in – zumindest rein formell –willigen Ländern wie Deutschland bislang in einer Tradition des Nichterreichens stehen, sehen nicht wenige mittlerweile eine kritische globale Erwärmung als unaufhaltsam an. Manche halten daher direktere Maßnahmen wie Geo-Engineering für unausweichlich. Der Gedanke an solch unmittelbare Eingriffe ins Klima wird allerdings auch von viel Unbehagen begleitet, da diese möglicherweise zu unliebsamen oder gar gefährlichen Begleiterscheinungen führen könnten. Eine bessere Alternative, die bereits seit einigen Jahren erforscht wird, könnten ein sozusagen neuer „Anstrich“ für dicht besiedelte Städte sowie ungepflügte Äcker sein.

Land Radiation Management

„Land Radiation Management“ heißt das Zauberwort. Im Gegensatz zum „Solar Radiation Management“ – einer Geo-Engineering-Methode, bei der Sonnenstrahlen zum Beispiel mittels Aerosol-Teilchen in der Stratosphäre reflektiert werden, bevor sie die Erdoberfläche erreichen – bleiben hier die reflektierenden Mittel nicht nur sprichwörtlich am Boden. Dass diese Methode vielversprechend ist, zeigt eine Studie, deren Ergebnisse 2017 von Forschern der ETH Zürich und Wissenschaftlern aus Australien und den USA veröffentlicht wurden. Demnach ließen sich Temperaturextreme sowohl in landwirtschaftlich wichtigen als auch in dicht besiedelten urbanen Regionen mithilfe relativ einfacher Maßnahmen um bis zu zwei bis drei Grad Celsius senken.

Im Test: Weißes L.A.

Wie so eine Maßnahme aussehen kann, lässt sich derzeit in Los Angeles beobachten. Dort soll die Durchschnittstemperatur bis 2030 um 1,7 Grad sinken, und zwar unter anderem mittels reflektierender Oberflächen. Die Stadt bezuschusst daher helle Ziegel und versieht seit Mai 2017 15 Straßenzüge testweise mit einem weißen Spezialbelag. Das Ergebnis: Die Straßen kühlten sich bislang um circa 5,5 Grad ab. Das ist jedoch wesentlich weniger, als man sich erhofft hatte.

Dass der Spezialbelag noch keine perfekte Lösung darstellt, zeigt auch dessen Ökobilanz. Demnach verbraucht der Unterhalt einer derart beschichteten Straße in 50 Jahren ungefähr sechsmal so viel Energie wie eine normale Straße. Auch hält der Belag nur bis zu einer Höchstgeschwindigkeit von knapp 50 Stundenkilometern, was ihn für die Massen an Schnellstraßen und Autobahnen rund um die Metropole unbrauchbar macht. In Sachen Leistungsfähigkeit und Ökobilanz ist also noch viel Luft nach oben.



Weg mit dem Pflug!

Für Regionen mit hoher landwirtschaftlicher Nutzung konnten die Forscher der ETH um Prof. Sonia Seneviratne bereits 2014 in einer Studie nachweisen, dass ungepflügte Felder Sonnenstrahlen weit besser reflektieren als gepflügte. Für Deutschland wäre dies immerhin eine wichtige Erkenntnis, da hierzulande die Äcker nach der Ernte gleich umgepflügt werden. Darüber hinaus könnten helle Getreidearten einen Unterschied machen.

Weitere Forschung nötig

Anders als das Solar Radiation Management wirken sich reflektierende Oberflächen nur auf das lokale Klima aus, leisten dabei aber einen sehr wichtigen Beitrag zum großen Ganzen. Insgesamt gilt, je extremer die Temperaturen, desto größer der Effekt. Allerdings warnen die Forscher davor, dass auch bei dieser Methode mögliche Nebenwirkungen auf Nahrungsmittelproduktion, Biodiversität, CO2-Aufnahme u. a. nicht auszuschließen seien und dass das Land Radiation Management daher noch eingehender erforscht werden müsse, bevor es großflächig zum Einsatz komme. Auch zeigten die Simulationen, dass die Methode in Asien zu einer Verringerung des Monsunregens führen würde und somit für diese Region ungeeignet ist.

Insgesamt, stellten die Wissenschaftler in ihrer Studie fest, sind die reflektierenden Oberflächen kein Allheilmittel, sondern nur eine Methode von vielen im Kampf gegen den Klimawandel.