Pyramiden in Kopenhagen

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Japanische Pyramiden in Kopenhagen: Was vielleicht wie der kuriose Titel eines Independent-Films klingt, besitzt das Potenzial, ein ganz großer Wurf im Bereich der Bäderarchitektur zu werden. Als Teil eines Masterplans für die Entwicklung der künstlichen Insel Christiansholm im Herzen der dänischen Hauptstadt haben Kengo Kuma and Associates ein höchst erstaunliches öffentliches Bad und Wassersportzentrum entworfen. Geziegelte Pyramiden entführen hier kurzweilig in eine Welt, die geradezu aztekische Assoziationen heraufbeschwört und ihre Besucher leicht vergessen lässt, dass sie sich doch eigentlich in Skandinavien befinden.

„Paper Island“ wird Christiansholm auch genannt, wo früher das Zeitungspapier der dänischen Presse gelagert wurde. Statt die künstliche Insel in begehrter Lage einfach dem freien Immobilienmarkt zu überlassen, gewährte die Stadt 2012 dem Areal eine Art kreative Gnadenfrist von fünf Jahren. In dieser Zeit ließen sich Teile von Kopenhagens Kreativwirtschaft zu günstigen Mietpreisen in den alten Lagerhallen nieder, darunter ein Street-Food-Markt, ein angesagter Fahrradhersteller und ein Wissenschaftsmuseum. 2017 endete jedoch die Schonfrist und seitdem wird das Areal nach einem Masterplan von COBE, die sich übrigens ebenfalls in einer der Lagerhallen niedergelassen haben, transformiert.

Insel-Umstyling

Der Masterplan sieht eine Reihe neuer öffentlicher Hallen vor, deren oberer Teil wiederum als Wohnraum genutzt werden soll. Manch bestehende Einrichtung, wie etwa der Street-Food-Markt, soll auch nach der Umwandlung weiterexistieren. Das Water Front Cultural Center von Kengo Kuma and Associates wird sich über eine Fläche von 5.000 Quadratmetern im Nordwesten der kleinen Insel erstrecken und dort über Stufen und terrassierte Schwimmbecken ins Hafenwasser übergehen. Das Bad folgt damit dem Trend der grünen Vorzeigestadt, das mittlerweile sehr saubere Hafenwasser zum Baden zu nutzen.

Versunkene Stadt

So weit, so Kopenhagen. Völlig untypisch für skandinavische Gefilde ist hingegen das dazugehörige Bauwerk, welches sich als Ensemble verschachtelter Pyramiden am Ufer erhebt. Vom Wasser aus durch sein verglastes Erdgeschoss noch als modernes Gebäude erkennbar, entfaltet sich im Innern zunehmend der Eindruck einer ganz eigenen Welt. Ein längliches Becken führt wie eine Straße zwischen den Pyramiden hindurch und erweckt den Eindruck einer überschwemmten Stadt im alten Mexiko. Die einfache Gestaltung durch die urtümlich anmutenden Backsteine trägt umso mehr zum Eindruck einer versunkenen Kultur bei.

Eine Kunst für sich ist das Zusammenspiel von Wasser und Licht. Statt mit geschlossenen Spitzen schließen die Pyramiden nach oben mit großen Oberlichtern ab. Die Backsteinfassade ist an vielen Stellen perforiert und auch die Verbindungen, wo die Pyramiden überlappen und die selbst wie umgedrehte Pyramiden wirken, öffnen sich zum Himmel. In Verbindung mit den Reflexionen des Wassers erzeugen diese Öffnungen einen dramatischen Tanz von Licht und Schatten.

Preisverdächtige Architektur

So wenig es auch mit dem städtischen und kulturellen Kontext Kopenhagens gemeinhaben mag, ist das Pyramidenkonzept doch ganz bewusst gewählt. Die Form ist in erster Linie eine Anlehnung an die im Masterplan vorgesehenen steilen Dachschrägen – einem charakteristischen Merkmal des neuen Paper Island. Ein Vorteil dieser Formenwahl ist das Fehlen einer klaren Vorderseite. Stattdessen präsentieren sich alle Fassaden des Water Front Cultural Center gleichwertig zu allen Seiten hin.

Wirklich beeindruckend ist allerdings erst das Gebäudeinnere als eigenständige, stille Wasserwelt inmitten des belebten Hafenviertels. Sollte sich die Stimmung aus den Visualisierungen in der Wirklichkeit fortsetzen, könnte das Water Front Cultural Center womöglich bald zu den bedeutenden Bädern der Welt zählen und etwa in einem Satz mit Zumthors Therme in Vals genannt werden. Letztere dürften Kengo Kuma and Associates noch gut in Erinnerung haben, haben sie doch für das dazugehörige Hotel unlängst erst diverse Zimmer entworfen. Ob der besondere Geist von Zumthors Meisterwerk als Inspirationsquelle diente, kann nicht gesagt werden. Zweifellos wird aber Kopenhagen mit diesem „Hafenkulturzentrum“ einmal mehr ein außergewöhnliches Bauwerk erhalten.

Credit and data:

Site: Paperisland Copenhagen, Denmark

Principle use: indoor/ outdoor pool, harbor baths, wellness, facilities for sports associations

Floor area: approx. 5,000 square meters

Lead Architect: Kengo Kuma & Associates, Yuki Ikeguchi Partner in charge

Associate Architect: Cornelius Vöge

Engineering Design: Søren Jensen engineers

Consulting architect: Niels Sigsgaard