Was ist da los? Ob nun der Flughafen Berlin-Brandenburg (BER), Stuttgart 21, der Hochmoselübergang oder die Elbphilharmonie – öffentliche Großprojekte scheinen gefühlt irgendwie immer deutlich länger zu brauchen und weit mehr zu kosten als ursprünglich geplant. Die Forschung bestätigt dieses Gefühl: Eine Studie der Hertie School of Governance, in der 170 öffentliche Projekte zwischen 1960 und 2015 untersucht wurden, kam etwa zu dem Ergebnis, dass die Projekte im Durchschnitt 73 Prozent teurer als vorgesehen waren. Ein alarmierender und für die Steuerzahler höchst ärgerlicher Wert. Doch worin liegen die Gründe für diesen Missstand und wie kann man ihnen vorbeugen?
Die Hauptursache für hohe Zeit- und Budgetüberschreitungen bei Großprojekten liegt, da sind sich die Experten einig, hauptsächlich in Fehlern während der frühen Planungsphasen. Dass falsche Planung zu einer Diskrepanz zwischen ihren Ergebnissen und der realen Umsetzung führt, ist allerdings geradezu banal. Bleibt jedoch die Frage, warum ausgerechnet öffentliche Projekte in solchem Maße von unglückseligen Fehlplanungen heimgesucht werden. Tatsächlich gibt es mehrere Problemfelder, die für die schlechte Bilanz in öffentlichen Bauvorhaben bezeichnend sind. Dazu zählen fehlende Kompetenz im Verwaltungsapparat, politisches Kalkül und schlechte Öffentlichkeitsarbeit.
Fehlende Kompetenz im Verwaltungsapparat
Oftmals verfügen die entscheidenden Organe in den Verwaltungen nicht über die nötige Fachkompetenz, um große Bauvorhaben in ihrer Komplexität zu überblicken und Planungen sachgerecht zu prüfen. So kommt es etwa dazu, dass die öffentliche Hand – und so letztlich der Steuerzahler – das volle Risiko übernimmt oder Aufträge nach nicht sachdienlichen Prioritäten – wie dem niedrigsten Preis – vergibt. Beides so geschehen beim BER: Auf externes Controlling sowie auf einen Generalunternehmer wurde verzichtet. Ferner wurden Aufträge bis zur Unüberschaubarkeit an viele kleine Gewerke vergeben, so dass es aufgrund unterschiedlich aktueller Pläne in den Gewerken zu zahlreichen und letztlich teuren Kollisionen kam.
Welch Absurditäten aus dem Schließen von Verträgen auf unzureichender Planungsbasis erwachsen können, ließ sich zuletzt in Mainz beobachten. Dort wurde der Bau einer Straße in Auftrag gegeben, ohne vorher zu klären, wem die Grundstücke gehörten. Dabei entstand eine eigentlich für Linienbusse vorgesehene Brücke, die nun, da die Straße nie gebaut wurde, der teuerste Fußgängerübergang Deutschlands ist.
Politisches Kalkül?
Das Problem mit der Fachkompetenz in den Verwaltungen hat übrigens zwei Gesichter: Zum einen überhebt man sich teils aus Selbstüberschätzung an Großprojekten. Zum anderen fehlt es allgemein aus Kostengründen an kompetentem Personal, während die Zahl der Bauvorhaben gleichzeitig zunimmt. Neben den Verwaltungswirren sind fehlerhafte Planungen allerdings auch nicht selten der Politik geschuldet. So beklagte etwa der Präsident der Handwerkskammer Berlin, Stephan Schwarz, in einem Interview mit der Welt Ende 2017, dass es bei baulichen Großvorhaben oftmals nicht um Sachfragen, sondern um politische Erwägungen ginge. Fertigstellungstermine orientierten sich am Wahlkalender und Kosten würden heruntergerechnet, um mit dem Projekt beginnen zu können.
Schlechte Öffentlichkeitsarbeit
Ein weiteres Problem fällt ebenfalls in den Dunstkreis politischen Taktierens: der Dialog mit betroffenen Bürgern. „Akzeptanzkommunikation“ lautet hier das Zauberwort. Fühlen sich betroffene Bürger schlecht informiert oder gar hinters Licht geführt, sind Verzögerungen und damit verbundene Kosten vorprogrammiert. So erklärte Dr. Volker Brennecke vom Verein Deutscher Ingenieure im Rahmen einer Veranstaltungsreihe zum Thema Akzeptanzkommunikation, das Vertrauen in Entscheidungen für Großprojekte sei merkbar gesunken, während das Teilhabebedürfnis der Bürger deutlich steige.
Es geht auch anders.
Zum Glück muss alledem nicht so sein, denn die genannten Fehler lassen sich vermeiden. Schließlich gibt es auch öffentliche Großprojekte, die sowohl im zeitlichen- als auch finanziellen Rahmen fertiggestellt werden. In erster Linie gilt es, Kompetenzlücken in den Steuerungsgremien zu schließen, zum Beispiel durch die Einbeziehung externer Experten. Die Forscher der Hertie School of Governance empfehlen zudem die Einbeziehung privaten Kapitals, sei es in Form von Mitbeteiligung an einer Realisierungsgesellschaft oder einer Beauftragung eines Generalunternehmers.
In Bezug auf Akzeptanzkommunikation rät Dr. Volker Brennecke, Dialoge in den zeitlichen Ablauf eines Projekts zu integrieren und sie statt ans Ende an den Anfang zu rücken. Ulf Mehner von der Unternehmensberatung für Kommunikation WeichertMehner nennt darüber hinaus eine Reihe von Grundvoraussetzungen für das Gelingen von Akzeptanzkommunikation. Hierzu zählen eine frühzeitige kommunikative Prüfung von Vorhaben, die Beteiligung von professionellen Partnern sowie eine kontinuierliche, glaubwürdige, konsistente und ehrliche Kommunikation. Letztere schlösse übrigens das mutwillige Runterrechnen von Kosten und Zeitrahmen aus politischem Kalkül bereits aus.
Übrigens: Da die ständigen Fehlplanungen in öffentlichen Großprojekten auch der Bundesregierung ein Dorn im Auge waren, hat diese durch die Reformkommission Bau von Großprojekten und den Aktionsplan Großprojekte eine Reihe von Empfehlungen erarbeiten lassen. Diese sind als konkrete Handlungsanleitungen im Leitfaden Großprojekte1 zusammengefasst.
1 www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Publikationen/G/leitfaden-grossprojekte.html