Mehr Licht für Demokratie – Niedersachsens neuer Landtag

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Auch wenn es so manchem anders erscheinen mag: Politik ist eine lebendige Angelegenheit, die immer wieder in – historisch betrachtet – äußerst kurzen Zeiträumen großen Veränderungen unterworfen ist. Dies zeigt sich nicht nur in den Wandlungen der Herrschaftsformen oder der politischen Diskurse, sondern auch in den Orten, an denen regiert wird. Ein ebensolcher Ort, für den erst kürzlich ein neues Kapitel in den Geschichtsbüchern angebrochen ist, ist der niedersächsische Landtag. Dieser vollführte innerhalb von drei Jahren zumindest rein förmlich – und das allerdings buchstäblich – eine komplette Kehrtwende. Und dies war nur eine Maßnahme für den längst überfälligen Schritt in eine zeitgemäße Architektur.

Was hat das Hannoveraner Leineschloss nicht alles hinter sich: 1637 als Residenz eines kriegsbedingt nur geringfügig solventen Herzogs erbaut, wurde es immer wieder baulich verändert und unter anderem als Kloster, Bibliothek, Opernhaus und Kaserne zweckentfremdet. Unter preußischer Herrschaft ging seine Funktion nicht über die einer Volksküche hinaus, im Zweiten Weltkrieg wurde es schließlich ganz zerstört. Damit ist die Geschichte des Gebäudes jedoch längst nicht zu Ende erzählt. Nachdem sich die Stadthalle als zu klein für die neue Demokratie erwiesen hatte, entschloss man sich 1956, das Schloss für den Landtag wiederaufzubauen. 1962 konnten schließlich Niedersachsens Volksvertreter in das wiederauferstandene Gebäude einziehen.

Mammutumbau

Über 50 Jahre lang wurde im Leineschloss debattiert und über das Schicksal des Bundeslandes entschieden, doch irgendwann war der Plenarsaal für das politische Tagesgeschäft schlicht zu marode. Aus diesem Grund wurde der Landtag zwischen 2014 und 2017 durch das Stuttgarter Architekturbüro blocher partners umgebaut und modernisiert. Wobei: „Umbau“ scheint fast ein wenig untertrieben, denn viel mehr als die äußere Hülle des historischen Bestandsgebäudes blieb nicht übrig. Dafür wurde in den drei Jahren Bauzeit mit 4.000 Kubikmetern Beton, 300 Tonnen Stahltragwerk und 700 Tonnen Bewehrung so viel Material verbaut, dass es praktisch für die Errichtung von rund 100 Einfamilienhäusern gereicht hätte.

 

Licht und Transparenz

Das Ergebnis kommt Abgeordneten wie Besuchern zweifellos zugute: Der neue Plenarsaal wurde um einiges vergrößert, ist heller und, im Zuge einer 180-Grad-Drehung, auch buchstäblich transparenter. Der zuvor fensterlose Raum verfügt nun über gewaltige, raumhohe Fenster, die den Volksvertretern Ausblicke, dem Volk wiederum Einblick in ihre Regierung gewähren. Symbol dieser neuen Transparenz ist ein von der Kommunikationsagentur typenraum entworfenes stilisiertes Niedersachsen-Ross aus Glaselementen, welches über dem Plenarsaal thront. Sprecherkabinen, Sitzlogen und Besucherränge in Nussbaum bringen neben dem Licht auch etwas Wärme in den ansonsten vorwiegend grauweißen Raum, der insgesamt 150 Abgeordnete und 261 Besucher fasst.

 

Ende der Debatte

Kurioserweise gab es im Vorfeld um den Umbau bereits – naturgemäß, möchte man fast sagen – eine Debatte unter den Abgeordneten. Viele forderten damals den Abriss des denkmalgeschützten Gebäudes. Bedenkt man das Gefühl der Beengung, das in dem wesentlich kleineren alten Plenarsaal ohne Tageslicht und Klimaanlage vorgeherrscht haben muss, lässt sich dieser „Befreiungsdrang“ nur allzu leicht nachvollziehen. Mit dem hellen und luftigen Ergebnis dürften nun jedoch wohl auch einstige Zweifler zufrieden sein. Und auch auf zukünftige Debatten wird sich die neue Leichtigkeit sicherlich positiv auswirken.