Stuttgart 21, deine Kelchstützen: Meisterwerke der Bewehrungsplanung
Seit 2022 bereichert das „SuperHub“ den Ortskern von Meerstad: ein zukunftssicher und nachhaltig geplantes Multifunktionsgebäude. In einem iterativen Prozess gelang es den Tragwerksplanern von Pieters Bouwtechniek, die geplante Ästhetik der sichtbaren Holzkonstruktion unter Gewährleistung der Standsicherheit umzusetzen. Dabei vertrauten die Statiker für die Modellierung und die statische Berechnung des Tragwerks auf die Software SCIA Engineer.
In Meerstad, der grünen Lunge am östlichen Ortsrand der niederländischen Stadt Groningen, soll im kommenden Jahrzehnt allmählich ein Quartier mit rund 5.000 neuen Wohnungen heranwachsen. Einladende Grünanlagen und Freiflächen sowie der Erholungssee Woldmeer schaffen großartige Voraussetzungen für die Entwicklung des Stadtteils. Allerdings fehlte der am Reisbrett entworfenen Planstadt bislang ein Gemeindezentrum als sozialer Treffpunkt mit Einkaufsmöglichkeiten. Das Errichten des Multifunktionsgebäudes „SuperHub“, das aktuell einen Supermarkt, ein Café und ein Gesundheitszentrum beherbergt, hat auf der Suche nach einem urbanen Zentrum nun Abhilfe geschaffen. Aufgrund der Vorfertigung sämtlicher Gebäudeteile wurde der „SuperHub“ nach kurzer Bauzeit im Jahr 2022 fertiggestellt.
Holz als zentrales Gestaltungselement
Konzipiert wurde die sichtbare Tragstruktur aus Holz vom Architekturbüro De Zwarte Hond aus den Niederlanden. Die weiträumige Markthalle, die mit ihrer großen Spannweite und den neun Meter hohen Decken wie eine Kathedrale anmutet, erstreckt sich auf einer Bruttogrundfläche von 2.090 Quadratmetern. Die im Raster angeordneten Holzstützen sind umlaufend mit einer gebäudehohen, nichttragenden Vorhangfassade aus Glas und Stahl ausgefacht, die an den abgerundeten Ecken des ovalen Gebäudes gebogene Fenster führt, Wärmedämmung auf Passivhaus-Niveau bietet und für besonders helle Innenräume sorgt. Die Holzkonstruktion weist eine positive Klimabilanz auf und wurde zukunftssicher und nachhaltig geplant. Die große Spannweite und die hohen Decken erlauben eine flexible, ressourcenschonende Gebäudeumnutzung und werden der Anforderung an sich ändernde Nutzungsbedürfnisse gerecht. Die große Dachfläche bietet ausreichend Platz für Begrünung und eine Photovoltaikanlage. Dank eingebauter Luftaufbereitungsanlage sowie Wärme- und Kältespeicher im Boden sind außerdem ein angenehmes und zugleich energieeffizientes Raumklima sichergestellt.
22 Pfeiler aus Brettschichtholz tragen das Flachdach
Die neun Meter hohe Flachdachkonstruktion besteht aus einem Diagonalgitter aus Brettschichtholzträgern. Das Dach kragt zu allen Seiten um 5,4 Meter aus. Getragen wird es von 22 Pfeilern, die in einem Raster von 10,8 m x 10,8 m angeordnet sind. Die Geometrie der Pfeiler erinnert an einen Baum: jeder Pfeiler setzt sich aus vier gebogenen Brettschichtholzstützen zusammen, die sich nach oben hin verzweigen und ein Kreuz formen. Zusammengehalten werden die Brettschichtholzstützen in den Anschlüssen von nicht sichtbaren Stahlverbindungselementen. Vom Ende jeder geschwungenen „Baum“-Stütze gehen Träger ab, die die gitterartige Struktur des symmetrischen Dachs bilden. Das Tragwerk ist vollständig aus hydrothermisch modifiziertem Laubholz gefertigt. Sowohl die Träger als auch die Stützen weisen einen Querschnitt von 200 x 600 mm² auf. Die Länge der Holzelemente wurde auf 15 Meter begrenzt, um sicherzustellen, dass sie leicht transportiert und montiert werden können.
Tragwerk als 3D-Strukturanalysemodell erfasst
Dem niederländische Ingenieurbüro Pieters Bouwtechniek, das die Verantwortung für die Tragwerksplanung des „SuperHub“ übernahm, gelang es dank der passenden Software, die Standsicherheit des Gebäudes zu gewährleisten und zugleich die Ästhetik der vom Architekten entworfenen sichtbaren Holzkonstruktion zu bewahren. „Das komplexe Zusammenspiel der Kräfte in der auskragenden Dachkonstruktion und ihr Zusammenwirken mit den baumartigen Holzstützen konnten wir nur in einem 3D-Analysemodell richtig erfassen“, erklärt Steven van Eck, Tragwerksplaner bei Pieters Bouwtechniek. Für die Modellierung und die statische Berechnung des Tragwerksanalysemodells setzten die Ingenieure darum auf die Multimaterial-Strukturanalysesoftware SCIA Engineer.
Iterativer Entwurfsprozess bei Anschlussdetails
„Wir haben zunächst viel Aufwand in den Entwurf der Anschlussdetails für die Holzbauteile gesteckt, weil das Design der Verbindungen die gesamte Tragstruktur und deren statische Berechnung maßgeblich beeinflusst. Auf dem Weg zum endgültigen Modell haben wir in zahlreichen Iterationen verschiedene Systeme aus Durchlaufträgern und Einfeldträgern in SCIA Engineer getestet, bei denen die Anordnung der Scharniere und die Rotationssteifigkeit der Verbindungen ständig variierten“, erinnert sich van Eck. Viel Zeit sparte das Team derweil beim Modellieren der „Baum“-Stützen. „Wir haben einen Pfeiler mit seinen vier Brettschichtholzstützen und den Trägern sowie den Stahlverbindungen modelliert und dann mit Kopieren und Einfügen im Raster vervielfältig“, berichtet van Eck, der auf diese Weise 90% des Tragwerks in kürzester Zeit modellieren konnte.
Statische Berechnung mit SCIA Engineer
Für den Großteil der Berechnungen stellten die Tragwerksplaner lineare statische Analysen in SCIA Engineer an. Weil sich das Gebäude am Rande eines Erdbebengebietes befindet, wurden außerdem Erdbebennachweise nach dem Modalverfahren und dem multimodale Antwortspektrumverfahren geführt. So bestimmten die Ingenieure die Grundquerkraft, die dann verwendet wurde, um nachzuweisen, dass Windlasten gegenüber seismischen Lasten maßgebend sind. Zudem wurde die SCIA-Funktion „Verbindungskräfte“ eingesetzt, um die Kräfte der maßgebenden Anschlussdetails auf einfache Weise zu ermitteln. Das Berechnungsprotokoll von SCIA Engineer half dem Team, schnell eine Ausgabe der statischen Berechnungen für die Dokumentation des Modells zu erzeugen. „Ich nutze SCIA Engineer gerne, weil ich dank der vielen Modellierungs- und Berechnungsoptionen für jedes noch so komplexe Projekt einen individuellen und praktikablen Entwurf erstellen und die Software für mich arbeiten lassen kann“, resümiert van Eck.