Architektur existiert nicht für sich selbst. Sie geht eine Verbindung mit ihrer Umwelt ein, orientiert sich an den örtlichen Gegebenheiten, erzeugt Identität. Diese Gedanken leiteten auch den Berliner Architekten Ingo Schrader. Er konzipierte 2013 für das Haupttor der Messe Frankfurt, das „Tor Nord“, ein Ovaldach mit einer beeindruckenden Tragwerkskonstruktion sowie mehrere Wachgebäude. In diesem Beitrag erfahren Sie, wie Ingo Schrader den Herausforderungen des Projektes begegnete und was das Besondere an dieser Messearchitektur ist.
Herausforderungen: funktional, ästhetisch und identitätsstiftend
Auf dem Frankfurter Messegelände finden Großereignisse wie die Internationale Automobilausstellung (IAA) und die Frankfurter Buchmesse statt. Viele der jährlich rund 1,6 Millionen Besucher (2016) passieren dabei das „Tor Nord“. Es liegt zwischen Verkehrstrassen und Hochhäusern in exponierter Lage. In der Ausschreibung zur Neugestaltung dieses Tores im Jahr 2008 forderte der Auftraggeber, die Messe Frankfurt GmbH, für die zukünftigen Bauelemente folgende Eigenschaften:
Funktionalität,Nachhaltigkeit,optische und physische Leichtigkeit.Außerdem sollte das Projekt integral geplant werden. Eine weitere Herausforderung: Die neue Konstruktion musste auf einer existierenden Straßenbrücke errichtet werden – fast sieben Meter über dem Messegelände. Darüber hinaus sollten die neuen Bauten identitätsstiftend sein, eine „architektonische Visitenkarte“ der Messe Frankfurt.
© ALLPLAN GmbH; Messe Frankfurt, Tor Nord
Strukturelle Ästhetik des Ovaldaches
Das neue Dach über dem „Tor Nord“ zeigt, welche eindrucksvollen Bauwerke entstehen können, wenn Architekten und Ingenieure eng zusammenarbeiten. Für dieses Projekt nahm Ingo Schrader das Ingenieurbüro Bollinger + Grohmann von Anfang an mit ins Boot. Zusammen entwickelten sie eine unregelmäßige Tragstruktur mit unzähligen Zuschnitten. Es schützt das darunterliegende Wachgebäude und den Kontrollbereich der Zufahrt.
Das ovale Dach mit einem Gewicht von 110 Tonnen hat eine Länge von 42 Metern und eine Breite von 18 Metern. Die Eindeckung besteht aus Furnierschichtholzplatten, die mit Polyurethan beschichtet sind. Vier Stahlpfeiler mit jeweils dreieckiger Grundfläche stützen das Tragwerk. Die filigrane Dachkonstruktion aus Flachstahllamellen erinnert an natürliche, gewachsene Strukturen. Die Blechstärke der einzelnen Elemente variiert zwischen 20 und 40 Millimetern, deren Höhe zwischen 150 und 600 Millimetern. Die Lamellen kreuzen sich, sind aber nicht hierarchisch angeordnet. So bilden sie den Kräfteverlauf bei unregelmäßiger Stützenstellung ab, welche aufgrund der eingeschränkten Möglichkeiten optimaler Lastabtragung auf dem Baugrundstück notwendig warund AusgangspunktderEntwurfs-undRechenprozessewurde.
© ALLPLAN GmbH; Messe Frankfurt, Tor Nord
Eine „Familie“ von Wachgebäuden
Unterhalb des Daches sowie an weiteren Standorten auf dem Messegelände errichtete Ingo Schrader mehrere Wachgebäude. Da sie als strategisch wichtige Knotenpunkte dienen, sollen sie weithin sichtbar und als „Familie“ erkennbar sein. Aus diesen Gründen wählte der Architekt eine dreieckige Grundrissform wie bei den Pfeilern, ähnliche Fensterformate sowie identische Brüstungs- und Attikahöhen. Die Gebäude bestehen jeweils aus einem Stahlskelett mit vorgehängter Aluminiumfassade. Darüber hinaus erstrahlen alle Häuser in der Farbe Rot der Messe Frankfurt.
© ALLPLAN GmbH; Messe Frankfurt, Tor Nord
Computerbasierte 3D-Planung
IIm Entwurfsprozess nutzten die Architekten und Ingenieure dieses Projektes die Architektur-Software ALLPLAN Architecture. Das ermöglichte Ingo Schrader und seinem Team, das Dach als Ganzes in 3D zu planen. Durch die unregelmäßige Tragstruktur wäre eine Beurteilung und Überprüfung der Schnitte in 2D unmöglich gewesen. Zudem konnten in der Bauplanung dank des Architektur-Programms Überlegungen zu fertigungstechnischen Arbeitsbedingungen berücksichtigt werden. So schlossen die Mitarbeiter bestimmte Designs aus, da sie beispielsweise zu ungünstigen Arbeitswinkeln für die Schweißer geführt hätten.
Die rote Farbe der Wachgebäude, ihre einheitliche Bauweise und nicht zuletzt das ovale Dach stärken durch ihre Architektur die Identität der Messe Frankfurt. Ingo Schraders klare, aufs Wesentliche reduzierte Formensprache zeugt von einem geringen Materialverbrauch und wirkt zugleich sehr ästhetisch. In unserer Fallstudie „Architektur und Identität“ erfahren Sie mehr über dieses Beispiel außergewöhnlicher Messearchitektur und die Möglichkeiten von ALLPLAN Architecture.