Ohne Förderung wirtschaftlich zu bauen bei einer Miete von nur acht Euro pro Quadratmeter scheint heutzutage ein Ding der Unmöglichkeit. Hamburger Architekten ist es kürzlich noch gelungen.
Mit der zunehmenden Urbanisierung steigen auch die Mieten in den Städten. Insbesondere in den sogenannten A-Standorten Berlin, Hamburg, München, Köln, Düsseldorf, Frankfurt am Main und Stuttgart ist bezahlbarer Wohnraum mittlerweile absolute Mangelware. Ein relativ neues Projekt in Hamburg zeigt jedoch, dass dem nicht so sein muss. Nur acht Euro pro Quadratmeter Kaltmiete kosten hier derzeit Wohnungen in zwei Mehrfamilienhäusern des Schweizer Versicherungskonzerns Helvetia, und das ganz ohne Förderung durch die Öffentliche Hand. Der Trick liegt dabei vor allem in einer cleveren Planung – und im Verzicht auf vermeintlich Unnötiges. Auch die Bauweise spielt eine tragende Rolle.
Für Familien mit mittlerem Einkommen
Neugraben-Fischbek im Hamburger Südwesten ist eins der am stärksten wachsenden Viertel der Hansestadt. In drei großen Baugebieten werden hier unter Steuerung der IBA Hamburg GmbH seit ein paar Jahren neue Wohnungen für etwa 10.000 Menschen gebaut. Eines davon ist Vogelkamp Neugraben. Flankiert von zwei Naturschutzgebieten sind hier unter dem Motto „Naturverbundenes Wohnen“ inzwischen allein 1.500 Wohneinheiten entstanden. Neben Einzel-, Doppel- und Reihenhäusern umfassen diese auch kleinteilige Geschosswohnungsbauten. Zwei davon wurden von limbrock tubbesing architekten und stadtplaner im Auftrag der Helvetia Gruppe geplant. Ziel des Projekts: bezahlbarer Wohnraum für Familien, deren (mittleres) Einkommen zu knapp für einen Neubau, aber zu hoch für soziales Wohnen ist.
Sparfüchse am Bau
Acht Euro pro Quadratmeter beträgt Kaltmiete – ein extrem niedriger Preis für einen Neubau, selbst in dieser Randlage. Erreicht wird er über Einsparungen an Unnötigem, nicht aber an der Qualität. Ein Sparfaktor beim Bau der beiden viergeschossigen Riegel war daher der Grundriss beziehungsweise die Haustechnik. So wurden etwa die Bäder der Wohnungen sozusagen „Rücken an Rücken“ gebaut, um unnötige Leitungsschächte zu vermeiden.
Ein besonderes Merkmal des Grundrisses ist auch die Erschließung der Räume. Statt um einen Flur formieren sich alle Zimmer um ein sogenanntes Familienzimmer, an das auch Küche und Wirtschaftsraum direkt angeschlossen sind. Die Gebäude verzichten außerdem auf Entlüftungsanlagen. Stattdessen werden Küchen und Wirtschaftsräume mit Fenstern versehen. Ebenfalls spart man sich vorerst Aufzüge, die allerdings später noch nachgerüstet werden können, da die Schächte bereits vorausschauend in die Bauwerke integriert wurden. Dafür sind immerhin die Erdgeschosse komplett barrierefrei. Diese umfassen jedoch lediglich sechs Wohnungen – der Rest ist einer Kita und kleineren Geschäften vorbehalten.
Günstigere Bauweise
Von zentraler Bedeutung für die geringen Kosten war auch die Bauweise. Die beiden Wohnhäuser wurden, bis auf ihre Sockelgeschosse, in Holz ausgeführt. Das ist zwar zunächst nicht per se günstiger als ein Massivbau, durch einen hohen Vorfertigungsgrad jedoch um einiges schneller. Durch die zügigere Fertigstellung konnten die Wohnungen schlichtweg schneller vermietet werden. Ferner lässt sich bei Holz außen wie innen auf Putz verzichten. Hinzu kommt die ökologische Nachhaltigkeit des Baustoffs. Da neuere Untersuchungen eine mit Massivbauten vergleichbare Langlebigkeit von Holzhäusern belegen, konnten die Architekten den Bauherrn schließlich auch von der ökonomischen Nachhaltigkeit dieser Bauweise überzeugen.
Bauen, das alle Seiten glücklich macht?
Hochwertig, langlebig, günstig und lukrativ zugleich – ob diese Rechnung am Ende auch aufgeht, wird die Zukunft zeigen. Das Projekt hat zunächst Experimentcharakter. Vor allem der spezielle Grundriss sowie der Verzicht auf automatische Entlüftung und Aufzüge stehen auf dem Prüfstand. Sollte das Experiment erfolgreich sein, könnte es in Zukunft als Modell für ein frei finanziertes Bauen dienen, das alle Seiten glücklich macht. Die Fertiggestellung erfolgte 2019. In den Wohnungen, die seither bezogen wurden, darf die Kaltmiete fünf Jahre lang die Acht-Euro-Marke nicht überschreiten.