Luftverschmutzung ist ein ernst zu nehmendes Problem, das weltweit jährlich mehr als eine Million Todesopfer fordert. Die Meisten davon gehen auf Smog in den Großstädten zurück. Gerade in den Industrienationen, wo die Menschen etwa 90 Prozent ihrer Zeit in Gebäuden verbringen, sollte aber auch besonderes Augenmerk auf die Innenraumluft gelegt werden. Stickoxide sowie Formaldehyd und andere flüchtige organische Verbindungen (VOCs) in Möbeln, Farben, Kunststoffen, Harzen, Weichmachern und vielem mehr stellen erhebliche Gesundheitsrisiken dar. Bei den vielfältigen Schadstoffquellen fällt es schwer, die Luft wirklich rein zu halten. Glücklicherweise gibt es aber auch manchen Baustoff, der diese Aufgabe für uns übernimmt.
Den Schafen auf der Spur: Fermacell-Gipsfaserplatten
Die Firma Fermacell mit Sitz in Duisburg stellt spezielle Gipsfaserplatten her, die sich ein Vorbild an Schafen nehmen, denn kaum ein anderes Tier dürfte dauerhaft in derartig guter Luft leben wie die Paarhufer. Nicht etwa, weil sie in großer Zahl auf Nordseedeichen nahe Luftkurorten zu finden sind, sondern weil ihr Fell ein hervorragender Schadstofffilter ist. Der Hauptbestandteil des Fells, Keratin (ca. 97 Prozent), bindet dauerhaft Schadstoffe wie Formaldehyd und andere VOCs. Die Gipsfaserplatten werden daher werkseitig mit einem Wirkstoff auf Keratinbasis beschichtet, der ihnen sozusagen die „Kraft der Schafwolle“ verleiht, saubere Luft zu erzeugen.
Natürlicher Alleskönner: Kalk
Ähnliche luftfilternde Eigenschaften wie die Gipsfaserplatten mit Keratinbeschichtung besitzen Kalkputze. Auch diese binden VOCs und darüber hinaus sogar Stickoxide, die etwa durch offene Öfen oder beim Kochen entstehen. Doch das Portfolio des ökologischen Baustoffs umfasst noch weit mehr. Kalk verfügt zudem über eine hohe Alkalität (pH-Wert > 12), die ihn sowohl desinfizierend als auch resistent gegen Schimmel macht. Daneben reguliert er obendrein die Luftfeuchtigkeit. Eigenschaften, die sich schon die Griechen und Römer zunutze machten.
Die Photokatalysatoren kommen: Photoment®, AirClean® und Co.
Weit weniger vielseitig sind die folgenden Baustoffe, denn sie neutralisieren „nur“ Stickoxide. Letztere sind allerdings auch eine der größten Gesundheitsbelastungen, da sie aufgrund der Verbrennung fossiler Brennstoffe in Fahrzeugen und Kraftwerken in rauen Mengen vorkommen. Um diesem Problem beizukommen, setzt man seit einigen Jahren auf Photokatalysatoren, die mithilfe von UV-Licht schädliches Stickstoffoxid und Stickstoffdioxid in wasserlösliches Nitrat umwandeln, welches von Pflanzen über Regenwasser aufgenommen werden kann. Der Katalysator selbst verändert sich dabei nicht, sodass er über die gesamte Lebensdauer des Baustoffs wirksam bleibt.
Eine solche Lösung ist das sich seit rund zehn Jahren im Einsatz befindliche „AirClean®“ – ein Pflasterstein, der unter Zusatz von Titanoxid photokatalytisch wirkt. Mittlerweile gibt es AirClean® auch als Gesteinsgranulat, das als Abstreusplitt in frische Asphaltdeckschichten eingebaut werden kann. Der neue Star auf Titanoxidbasis ist jedoch der 2016er GreenTec-Awards-Gewinner Photoment®. Das von STEAG Power Minerals entwickelte feinkörnige Pulver, welches zum Beispiel Beton beigemischt werden kann, hat den besonderen Vorteil, dass es für die Photokatalyse nicht unbedingt Sonnenlicht benötigt. Auch künstliches Licht bringt hier den chemischen Prozess in Gang.
Fazit
Im Herbst 2016 verfügte der Europäische Gerichtshof, dass nationale Anforderungen an Bauprodukte zum Schutz der Gesundheit nicht länger strenger als europäische Standards sein dürften. Seitdem ist auch das vom Deutschen Institut für Bautechnik vergebene „Ü“ (für Übereinstimmung) nicht mehr zulässig. Das Umweltbundesamt warnte in seinem Jahresbericht „Schwerpunkte 2017“ vor der Gefahr zu geringer europäischer Standards. In diesem Licht scheint die Bedeutung luftreinigender Baustoffe umso größer. Und die von Pflanzen, denn nichts ist nach wie vor für eine gute Luftqualität so unverzichtbar und beim Herstellen sauberer Luft so unschlagbar.