Die Beleuchtung von Städten war bis vor einigen Jahren noch sowohl in ihrer Gestaltung als auch in ihrem Ausmaß technisch begrenzt. Dies hat sich jedoch durch die Einführung der LED vielerorts grundlegend geändert. Leuchtdioden bieten trotz niedrigen Stromverbrauchs eine hohe Lichtqualität und äußerst vielfältige und differenzierte Beleuchtungsmöglichkeiten. Viele Städte machen sich diese Eigenschaften mittlerweile zur Selbstinszenierung zunutze und fördern damit eine Kultur, die das Stadtleben tiefer in die Nacht eindringen lässt. Doch wo viel Licht ist, ist auch Schatten: Diese Verdrängung der Nacht birgt gleichzeitig Gefahren für das Klima und das Ökosystem in sich.
Es ist ein Bisschen wie mit der Henne und dem Ei. Das Leben in den Städten konzentriert sich zunehmend auf den öffentlichen Raum wie Cafés, Kneipen etc. und expandiert dabei auch immer tiefer in die Nacht hinein. Letztere Entwicklung geht mit einer technologischen einher. LED-Lampen ermöglichen inzwischen nicht nur Verbesserungen in Sachen klassischer Stadtbeleuchtung, sprich der Straßenbeleuchtung, sondern bieten auch die Möglichkeit, bestimmte Objekte und Zonen punktuell in verschiedensten Lichtstärken und -Farben in Szene zu setzen. So lassen sich dank der LED-Technologie auch des Nachts Orte mit sehr hoher Aufenthaltsqualität kreieren, die früher im Dunkeln blieben.
„Lightscapes“ statt verlassener Plätze
LEDs helfen also, die nächtlichen Städte attraktiver zu machen. Das könnte in mehrerlei Hinsicht weitreichende Folgen haben. Das multinationale Ingenieurbüro ARUP sieht hierin die Möglichkeit, statt bloß der althergebrachten beleuchteten Verkehrswege „Lightscapes“ zu kreieren, die zum Verweilen einladen und einer besseren zwischenmenschlichen Interaktion dienen. Ein Beispiel hierfür ist Leicester Square Garden in London. Tagsüber beliebt und viel frequentiert, wurde der öffentliche Platz bei Nacht gemieden, bis man ihn 2012 durch ein neues Beleuchtungskonzept in einen attraktiven „Lightscape“ verwandelte. Seitdem wird der Ort auch von Nachtschwärmern gerne besucht.
Revolutionäre Stadtbeleuchtung bis 2053
ARUPs Vision für eine „erleuchtende“ Transformation der Städte geht jedoch noch viel weiter. In einem Animationsvideo zeigt das Ingenieurbüro, wie die Zukunft bis 2053 aussehen könnte. Hier kommt eine intelligente und umfassende Stadtbeleuchtung den Bedürfnissen einer 24h-Wirtschaft nach und ermöglicht eine Gesellschaft, die praktisch niemals durchs Dunkel wandeln muss. Klingt zunächst nach Dauerbeleuchtung, soll allerdings genau diese vermeiden, indem alles über das Internet of Things miteinander verbunden ist und praktisch nur dort Licht verwendet wird, wo man es tatsächlich auch braucht.
Die Schattenseite des Lichts
Solch ein intelligenter, bedarfsorientierter Einsatz von Licht ist aus zweierlei Gründen eigentlich schon jetzt vonnöten. Der Erste liegt im Energieverbrauch und den damit verbundenen CO2-Emissionen. Denn zwar ermöglichen die sparsamen und vielseitigen LED-Lampen überhaupt erst eine extensive differenzierte Beleuchtung, doch stellt ebendiese gleichzeitig einen klassischen Rebound-Effekt dar. Es besteht also die Gefahr, dass nicht trotz, sondern gerade aufgrund sparsamer Technologie letztendlich mehr Energie verbraucht wird.
Der zweite Grund liegt in den besorgniserregenden Auswirkungen auf die Umwelt durch zu helle Nächte. Mehr als ein Zehntel der Erde ist bereits bei Nacht beleuchtet. Rechnet man die Aufhellung des Nachthimmels dazu, sind es gar 23 Prozent – Tendenz steigend. Der allergrößte Teil aller Spezies, vom Wal bis zum Plankton und vom Mammutbaum bis zum Gänseblümchen, hat sich allerdings in seiner Evolution darauf eingestellt, dass am Tag Helligkeit und in der Nacht Dunkelheit herrscht. Nachtbeleuchtung stört daher das Paarungs-, Fortpflanzungs- und Migrationsverhalten von Tieren sowie die Entwicklung von Pflanzen.
Rotlicht als Lösung?
Letztendlich führen selbst direkte Auswirkungen auf nur bestimmte Spezies zu gravierenden Veränderungen im gesamten Ökosystem. Den schwerwiegendsten Effekt auf die Umwelt hat dabei weißes Licht, wie eine Studie1 niederländischer Wissenschaftler belegt. Wesentlich unbedenklicher scheint hingegen Rotlicht zu sein – eine Erkenntnis, die schon jetzt Einzug in die niederländische Stadtplanung hält. Ob rotes Licht auch die hohe Aufenthaltsqualität ausgetüftelter Außenbeleuchtungskonzepte wie in Leicester Square bieten kann, ist allerdings eher zu bezweifeln.
1 royalsocietypublishing.org/doi/full/10.1098/rspb.2017.0075