Kosmische Strahlung - eine Revolution für die Betonprüfung

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Seit mehr als einem Jahrhundert ist Beton der wichtigste Werkstoff zur Gestaltung unserer gebauten Umwelt. Beton bildet das Fundament zum Bau von Städten und Infrastruktur. Ein besonderer Vorteil ist seine hohe Witterungsbeständigkeit. Aber auch die Qualität von Betonkonstruktionen muss regelmäßig geprüft werden. Traditionell war die Prüfung des Zustands von Betonbauwerke ein aufwändiger Prozess, vor allem wenn er auf Stemmöffnungen oder Bohrkernproben beruhte.

Jetzt gibt es eine neue Möglichkeit der zerstörungsfreien Prüfung, die sich die kosmische Strahlung zunutze macht. Diese hochmoderne Methode der Firma GScan könnte die Art und Weise, wie wir unsere Betoninfrastruktur bewerten und instand halten, revolutionieren. Willkommen in der Zukunft der Betonprüfung mit Myonen-Technologie.

Die Rolle von Myonen bei der Betonprüfung

Myonen, hochenergetische Teilchen, die bei Kollisionen kosmischer Strahlung mit unserer Atmosphäre entstehen, gelangen ständig auf die Erdoberfläche und durchdringen zu Tausenden pro Sekunde unsere Körper und Gebäude. Für das bloße Auge unsichtbar, sind diese Teilchen der Schlüssel zu den Geheimnissen von Betonstrukturen.

Die Idee, Myonen zum Scannen großer Strukturen zu verwenden, stammt aus den 1950er Jahren, als Teilchenphysiker sie erstmals im Bergbau einsetzten. Erste Versuche in den 1960er und 1970er Jahren, wie das Scannen der ägyptischen Pyramiden, lieferten Bilder mit geringer Auflösung. Der Durchbruch gelang Anfang der 2000er Jahre mit der Entwicklung der Myonenstreutomographie durch Physiker in Los Alamos. Sie lieferte 3D-Bilder mit Submillimeter-Auflösung und Details zur chemischen Zusammensetzung. Heute, nach Jahrzehnten der Weiterentwicklung, revolutioniert diese Technologie die Bauwerksprüfung und Bauwerksüberwachung.

© Ein 2D-Schnappschuss aus dem 3D-Bild eines verlassenen militärischen Kernreaktorabschnitts in Paldiski, Estland. Das Bild wurde mit Teilchen aus der kosmischen Strahlung, den Myonen, erstellt. Die dunkleren Regionen haben dichtere und die helleren weniger dichte Materialien. In der Mitte befindet sich der Reaktorkernbereich.

Der Traum jedes Bauingenieurs

GScan, ein Deep-Tech-Unternehmen, hat eine bahnbrechende Technologie entwickelt, die Myonen nutzt, um tief ins Innere von Betonstrukturen zu blicken. Durch den Einsatz hochentwickelter Detektoren und fortschrittlicher KI-Analyse kann GScan Myonen mit bemerkenswerter Präzision verfolgen. Auf diese Weise können detaillierte 3D-Modelle erstellt werden, die die innere Zusammensetzung des Betons zeigen, einschließlich des Vorhandenseins von Rissen, Hohlräumen und Schäden an der Stahlbewehrung. Die Fähigkeit der Technologie, zerstörungsfreie präzise Inspektionen durchzuführen, bietet Ingenieuren und Planern unschätzbare Einblicke. Sie ermöglicht eine effiziente und sichere Bewertung des Zustands kritischer Tragsysteme, ohne dass zerstörende Prüfmethoden erforderlich sind.

Die GScan-Technologie bietet eine beispiellose Vielseitigkeit und kann Elemente von wenigen Millimetern bis zu Hunderten von Metern scannen. Sie ist in der Lage, Risiken im Zusammenhang mit der chemischen Zusammensetzung zu erkennen, wie z. B. Korrosion aufgrund von Passivierungsverlusten des Betons oder hohen Chloridgehalten. Die Fähigkeit, Diskontinuitäten in Materialien, Bewehrung und Spannstahl zu erkennen, ermöglicht die Identifizierung von Delamination, Korrosion oder Brüchen. Außerdem können abgeschirmte Materialien und abgedeckte Elemente untersucht werden, z.B. Bewehrung hinter Metallfassaden, Gipskartonplatten, Isolierungen und dicke Anstriche.

Die Technologie ist zu 100 % sicher für den Menschen, vollständig passiv und erfasst nur natürliche Strahlung. Sie ist robust, unbeeinflusst von Umgebungsvariablen wie Feuchtigkeit oder Nässe und schließt Subjektivität bei der Messung und Interpretation aus. Darüber hinaus ist sie in der Lage, alle Arten von Materialien zu messen, einschließlich Holz, Kunststoff und Verbundwerkstoffe. Die Ergebnisse können nahtlos in allgemeine Koordinatensysteme integriert werden, indem „3D-Bilder“ mit Hilfe der Myonentomographie erstellt werden. Dies vereinfacht die Erstellung von BIM-Modellen bestehender Bauwerke und erhöht so die Zuverlässigkeit von Entscheidungsprozessen.

© Messung der Structures Moonshot-Brücke in London.

Fallstudie Brückenbau

Die Zusammenarbeit von GScan mit UK National Highways im Rahmen des Projekts "Structures Moonshot" ist ein Beispiel für die praktische Anwendung der GScan-Technologie. Das Projekt konzentrierte sich auf einen kritischen Teil der Infrastruktur: Spannbetonbrücken, deren strukturelle Integrität von hochfesten Stahlspanngliedern abhängt.

Herkömmliche Inspektionsmethoden für diese Spannglieder sind oft zeitaufwändig und teuer. Durch den Einsatz der Myon-Flux-Scanning-Technologie von GScan konnten im Rahmen des Projekts die Lage und Ausrichtung der Spannglieder genau kartiert und der Zustand der Hüllrohre bewertet werden. Die Ergebnisse waren beeindruckend und lieferten den Infrastrukturbetreibern detaillierte Informationen für fundierte Wartungs- und Reparaturentscheidungen. Dadurch konnte die Sicherheit und Langlebigkeit der Brücke erhöht werden.

Anwendungsbereiche der Myonen-Technologie

Die Anwendungsmöglichkeiten der GScan-Technologie gehen weit über Stahlbetonbrücken hinaus. Die Methode kann für die Inspektion verschiedenster Bauwerke eingesetzt werden, darunter Gebäude, Tunnel, Staudämme und sogar Kernkraftwerke. Die Vielseitigkeit der Myonen-Technologie ermöglicht es, den Zustand vieler Baumaterialien wie Stahl, Mauerwerk oder sogar Holz zu beurteilen. So kann zum Beispiel der Zustand einer Stütze beurteilt werden, ohne dass Bohrungen notwendig sind oder die Bewohnerinnen und Bewohner gestört werden.

Im Jahr 2023 setzte GScan seine Technologie ein, um alte, stillgelegte militärische Kernreaktoren in Paldiski, Estland, zu scannen. Die Ergebnisse waren bemerkenswert: Es wurden 3D-Bilder mit einer Auflösung von 1 cm erzeugt, was die Erwartungen bei weitem übertraf. Diese hohe Detailgenauigkeit ermöglicht effizientere und sicherere Rückbauprojekte und zeigt die Vielseitigkeit und das Potenzial der Technologie in verschiedenen Sektoren und Anwendungsfällen.

© Bewertung der Stahlkomponenten in Spannbetonkonstruktionen mit dem muonFLUX-Scanner von GScan im Turm einer Windkraftanlage.

Ausblick

Die GScan-Technologie stellt einen bedeutenden Fortschritt in der zerstörungsfreien Prüfung dar und eröffnet zahlreiche zukünftige Anwendungen und Innovationen. Ihre Weiterentwicklung verspricht, das Infrastrukturmanagement durch die Bereitstellung präziser und zuverlässiger Daten zu verbessern. Die Möglichkeit, die Ergebnisse in BIM-Modelle zu integrieren, unterstützt die Entscheidungsfindung zusätzlich.

GScan verfeinert seine Myonen-Technologie weiter. Sie rechnen in Zukunft mit einer breiteren Akzeptanz, die bei geringerem Aufwand zu mehr Sicherheit und nachhaltigeren Instandhaltungspraktiken im Infrastrukturmanagement weltweit führen wird.

© Es wurden horizontale Schnitte aus zwei verschiedenen Höhen dargestellt, der untere (blau) zwischen den Längs- und Querstäben, wo kürzere Stäbe mit kleineren Durchmessern zu sehen sind. Auch der Boden des Kanals ist sichtbar. Der höhere Schnitt (grün) wurde aus der Höhe aufgenommen, wo auch die inneren Litzen (rot) des Kanals sichtbar sind. Ein kurzes Fragment einer Stahllitze wurde ebenfalls mit einer roten Linie markiert, aber die gesamte Länge ist als hellerer Bereich sichtbar, da die Litzen eine höhere Dichte haben.