Bauen mit Holz liegt im Trend. Gründe hierfür sind, neben einer gestiegenen Sensibilität für ökologische Belange, die besonderen bauphysikalischen Eigenschaften des Materials und nicht zuletzt das erfolgreiche Aufräumen mit alten Vorurteilen in Bezug auf Haltbarkeit und Brandschutz. Innerhalb dieser neu entflammten Liebe für den Naturbaustoff gibt es seit ein paar Jahren eine gewisse Subströmung, die kurioser Weise nicht bloß auf einfaches, sondern gar auf verkohltes Holz setzt. Was wie eine waghalsige Demonstration der Hitzebeständigkeit wirken könnte, folgt in Wirklichkeit einem altbewährten Verfahren aus Fernost, welches tatsächlich die Widerstandsfähigkeit und Langlebigkeit von Holz verbessert.
Beim Anblick von Fassaden aus karbonisiertem Holz mag so manch unbedarftem Betrachter ein Schauer über den Rücken laufen, erwecken sie doch den Eindruck, das betreffende Haus sei nur knapp einem flammenden Inferno entkommen. Doch verhält es sich ganz anders, als es scheint. Karbonisiertes Holz ist nämlich mit voller Absicht verkohlt, und das auch nur zu einem gewissen Grad. Tatsächlich wird lediglich die obere Schicht des Holzes verbrannt, während der darunterliegende Rest vom Feuer unberührt bleibt.
„Schönheit“ und ein Schaden, der schützt
Eine Holzfassade auf diese Weise zu bearbeiten, kann in vielerlei Hinsicht sinnvoll sein. Viele verwenden karbonisiertes Holz in erster Linie aus ästhetischen Gründen. Je nach Art des Holzes und Tiefe der Verbrennung lässt sich eine Vielzahl interessanter Oberflächen kreieren, die sich von gewöhnlichen Fassaden optisch stark abheben. Die für jedes Stück Holz einzigartige Maserung und Faserstrukturen werden durch das Verkohlen zusätzlich hervorgehoben.
Die Schönheit von karbonisiertem Holz liegt zweifellos im Auge des Betrachters. Über jeden Zweifel erhaben ist jedoch ein positiver bauphysikalischer Aspekt des Verfahrens. Durch das Verkohlen werden die Zellen im Material verdichtet. Auf diese Weise „verschließt“ sich das Holz gegen Schimmelpilze, Wasser, Fäulnis, Verwitterung und Insekten. So wird der vermeintliche „Brandschaden“ zum effektiven Schutz für den Außenbereich, der eine Behandlung mit giftigen chemischen Holzschutzmitteln überflüssig macht. Während man sich um seine verkohlte Außenfassade also keine Sorgen zu machen braucht, benötigt karbonisiertes Holz im Innenraum jedoch eine spezielle Behandlung – zum Beispiel durch eine Polyurethan-Beschichtung –, damit die Ascheschicht nicht abfärbt.
Wer hat’s erfunden?
Was in hiesigen Breitengraden als eher neuartiger Trend erscheint, ist in seinem Ursprungsland bereits seit Jahrhunderten etabliert. „Yakisugi“ – „verkohlte Zeder“ – heißt das in Japan im 18. Jahrhundert entwickelte Verfahren, bei welchem für die Fassadenbeplankung vorgesehene Zedernplanken absichtlich verkohlt werden. Zwar wurden die karbonisierten Fassaden im 20. Jahrhundert aufgrund der Einführung von kunststoff- und zementbasierten Verkleidungen stark vernachlässigt, doch erlebten sie Anfang der 2000er eine Renaissance. Im Zuge dessen wurden gleichsam Architekten und Designer aus Nordamerika und Europa auf die Methode aufmerksam.
Fazit
Ob die Yakisugi-Methode in der westlichen Welt bis vor Kurzem noch unbekannt war oder man hier schlicht bisher eine Abneigung gegen verkohlte Fassaden hegte, ist unklar. In jedem Fall zeigt ihre vermeintliche Neuentdeckung hierzulande, dass der Blick um die Welt und auf fremde Bautraditionen immer wieder nicht nur für eine ästhetische, sondern auch technische Inspiration gut sein kann.