Building Information Modeling, BIM, ist die meistdiskutierte Planungsmethode seit dem Beginn der Digitalisierung. Ihr Einsatz ist derzeit international noch nicht verbindlich. Was muss sich in den kommenden Jahren tun, damit BIM weiterhin Einzug hält? Wir sprachen mit Professor Rasso Steinmann, Vorstandsvorsitzender von buildingSMART e.V., Stefan Kaufmann, Product Manager BIM Strategy, ALLPLAN und Thomas Müller, Produkt Manager Interoperability, ALLPLAN.
Rasso Steinmann: Wir müssen zuerst klären, von was wir bei BIM sprechen. Oft wird sehr pauschal behauptet, dass mit BIM geplant werden muss. Doch es gibt sehr viele Aspekte bei der Anwendung von BIM. Sicher haben wir die Fälle, in denen die Methode stark politisch gesteuert oder zumindest initiiert wird. Doch wir haben ebenso Länder, wo ihr Einsatz aus dem Markt erwächst. Ich glaube, das ist auch der Weg für die Zukunft: Die Impulse müssen aus dem Markt kommen und wenn das Potenzial für eine hohe Wirtschaftlichkeit und die Rationalisierung der Planung erkannt wird, hat BIM gute Chancen.
Wird die BIM-Planung für alle Projekte verbindlich werden, auch im globalen Kontext?
Stefan Kaufmann: Die Frage ist, von welchem Zeithorizont wir sprechen. Reden wir von dreißig Jahren, kann man davon ausgehen, dass BIM in der Breite und in den meisten Projekten zum Einsatz kommen wird. Auf dem Weg dahin ist jedoch noch sehr viel zu leisten. Und ich bin sicher, dass es noch einige Diskussionen geben wird, wie BIM auszuschauen hat.
Der nächste Schritt in der digitalen Planung mit BIM ist die Etablierung von openBIM für einen offenen Informationsaustausch. Welche Hürden sind hierfür akut zu überwinden?
Stefan Kaufmann: Die Entwicklung im Hochbau ist bereits sehr weit. Doch openBIM im Bauen bedeutet weit mehr als Hochbau. Es gibt viele Bereiche, in denen BIM noch nicht etabliert ist und wo wir noch viel leisten müssen, um voranzukommen. Wir müssen den breiten Einsatz von BIM also als eine langfristige Entwicklung sehen. Viele Dinge, die wir in Zukunft brauchen, werden in einem auf BIM basierten kollaborativen Planungsprozess beruhen. IFC4 ist hierfür ein wichtiger Schritt. Wir haben mit IFC4 zum Beispiel die Ergänzung durch Parametrik adressiert. Hinzu kommt die BIM-GIS-Integration sowie die Integration von Bauprodukten und Bauproduktkatalogen, was von Planern und Architekten schon seit Jahren gefordert wurde.
Welche technologischen und strukturellen Vorteile bietet openBIM gegenüber closedBIM – und wohin bewegt sich der aktuelle Trend im Bauwesen?
Rasso Steinmann: Offene BIM-Lösungen bieten den Vorteil, im Büro verschiedene Planungstools verwenden zu können. In Konsortien lassen sich damit die Partner in einer freieren Kombination zusammenführen – ohne zwanghaft auf eine bestimmte Planungssoftware zu verweisen. Ich denke, dass in der Praxis nicht nur openBIM oder nur closedBIM zum Einsatz kommt. Es wird das in der jeweiligen Situation Verwendung finden, was am besten funktioniert.
Widerspricht closedBIM nicht grundsätzlich dem BIM-Ansatz, der von der ersten Minute auf die Kollaboration und Kommunikation aller Beteiligter setzt?
Rasso Steinmann: Das kann man vielleicht so sehen. Auf der anderen Seite: Wenn es darum geht, dass wir mit Hilfe der BIM-Methode eine gute Organisation realisieren wollen, ist es irrelevant, ob closed oder openBIM. In einer geschlossenen BIM-Lösung ist man jedoch eingeschränkter. Denn es partizipieren nur diejenigen daran, die diese Planungslösung auch einsetzen und für diese Software geschult sind.
OpenBIM basiert auf dem uneingeschränkten Informationsaustausch ohne Plattform- oder Softwarebarrieren. Wie weit sind die Software-Hersteller hier?
Thomas Müller: Wir sind mit dem openBIM Ansatz auf einem sehr guten Weg. Nichtsdestotrotz gibt es in Einzelfällen Schwierigkeiten und Herausforderungen beim Datenaustausch. Es ist aber deutlich zu bemerken, dass in den letzten Jahren die Qualität der Modelle und auch der IFC-Dateien sehr viel besser geworden ist. Mit den derzeit laufenden Initiativen wie IfcBridge und IfcRoad/Rail wird openBIM auch in weiteren Bereichen standardisiert werden. Mit openBIM integrieren die Software-Hersteller ihre Produkte in den BIM Prozess.
Für Planer und Architekten ist der Nutzen von openBIM sehr deutlich. Wo kann er für Bauherren, Betreiber und Nutzer liegen?
Stefan Kaufmann: Es gibt sehr unterschiedliche Sichtweisen auf die gemeinsame BIM-Planung. Bei den Bauherren sehe ich sogar den größten Nutzen von BIM. Wenn ich als Architekt eine integrierte Planung forciere, hat der Bauherr in der Bauphase und dem späteren Gebäudebetrieb weniger Probleme. Betreiber und Nutzer hingegen sind ein besonderer Fall. Aktuell zeigen sich noch große Widerstände gegen die BIM-Anwendung, in der Bauausführung ebenso wie in der Nutzung des Gebäudes. Ich bin sicher, dass BIM dort ebenfalls große Mehrwerte schaffen kann. Denn man muss erkennen: ein Bauwerk ist kein statisches Objekt. Es ist eine dynamische Konstruktion, wenn auch über lange Zeiträume. Es passiert sehr viel mit einem Gebäude im Betrieb. Wir haben heute Sensoren im Ansatz, die diese Dynamik tracken. Alle erfassten Informationen werden im zentralen Bauwerksmodell zusammengefasst – was einen großen Mehrwert für die Betreiber darstellen wird.
Ist openBIM dann sozusagen ein „BIM 2.0“ – also die logische Fortentwicklung der BIM-Methode, die Kollaboration und Kommunikation erleichtern soll?
Rasso Steinmann: Ja, das könnte man so sagen. In den Anfängen – in der Theorie reicht das zurück bis in die 1970er Jahre ¬ und was wir in den 1990er Jahren geplant haben, waren im Wesentlichen Gebäudemodelle oder besser gesagt: Datenmodelle für Gebäude. Diese Herangehensweise wurde zum Standard weiterentwickelt und nennt sich heute IFC. Und es zeigte sich in den letzten Jahren, dass das Thema Kollaboration als „Low Hanging Fruit“ erkannt wird – als etwas, was einen unmittelbaren Nutzen bringt. Insofern kann man openBIM tatsächlich als BIM 2.0 bezeichnen.