Bauexperten der ETH Zürich entwickelten 2017 dank neuartiger Fabrikations- und Designmethoden ein extrem dünnes Betondach. Der Prototyp mit der elegant geschwungenen Form hat den Praxistest bereits bestanden und wird im Fühjahr 2018 wird er ein richtiges Gebäude abdecken. In diesem Beitrag erfahren Sie, wie die Dachkonstruktion geplant wurde und welche Besonderheiten in diesem innovativen Leichtbetonbau stecken.
, ETH Zürich / Michael Lyrenmann
10.000 Geometrien simuliert
Das Team um Philippe Bock, Professor für Architektur und Tragwerk an der ETH Zürich, forschte vier Jahre lang an der Dachkonstruktion. Die Wissenschaftler kooperierten dabei mit zahlreichen Wirtschaftspartnern, unter anderem mit dem Architekturbüro supermanœuvre. Gemeinsam entwickelten sie eine Simulationssoftware, in der die Geometrie eine große Rolle einnimmt. Bis zum finalen Entwurf spielte das Team mehr als 10.000 Entwürfe durch. Herausgekommen ist ein elegant geschwungenes Dach mit einer Fläche von 162 Quadratmetern und einer Höhe von etwa 7,5 Metern. Das Besondere daran: Es ist selbsttragend, extrem dünn und kommt ohne teure Betonschalung aus.
© Block Research Group, ETH Zürich / Naida Iljazovic
Kombination von Stahlseilen und Polymertextil
Innerhalb einer Woche errichteten die Projektmitarbeiter im Robotic Fabrication Laboratory der Hochschule ein Stahlnetz, das über mehrere Auflagepunkte gespannt wurde. Anschließend fixierten sie eine Textilschicht aus Polymer darüber, die als Schalung diente. Der Spezialbeton wurde nicht durch Bauroboter aufgespritzt, sondern durch Handwerker. Dabei kam eine neuartige Spritztechnik zum Einsatz, die mit weniger Druck arbeitet, um das Textil nicht zu beschädigen. Der Spezialbeton musste darüber hinaus ausreichend flüssig und zähflüssig zugleich sein, damit er auch an vertikalen Flächen hielt. Dank der innovativen Simulationssoftware konnten die Wissenschaftler exakt berechnen, welche Kraft auf jedes einzelne Stahlseil wirkt. So wussten sie, wie sich der Beton verformen würde und welche Mengen jeweils notwendig waren. An den Rändern des Daches reichten drei Zentimeter, an den dicksten Stellen zwölf Zentimeter Beton.
© Block Research Group, ETH Zürich / Naida Iljazovic
Material-, zeit- und kostensparend
Normalerweise landen die materialintensiven Schalungsplatten nach Gebrauch auf dem Müll. Bei dieser innovativen Konstruktionsmethode kann das500 Kilogramm schwere Stahlnetzbeliebig oft wiederverwendet werden, auch um andere Dachformen umzusetzen. Das Textilbringt 300 Kilogramm auf die Waage und bildet die Grundlage für die 20 Tonnen Beton, die bei dieser neuartigen Dachkonstruktion zum Einsatz kamen. Darüber hinaus sparen die Architekten und Ingenieure mit dieser besonderen Bauweise Zeit: Während das Dach trocknet, kann darunter der Innenausbau fortgeführt werden. Weniger Material und Zeitaufwand haben letztlich auch geringere Kosten im Bauprozess zur Folge – ein weiterer Vorteil dieses speziellen Betondachs.
© Block Research Group, ETH Zürich / Naida Iljazovic
Vom Praxistest zur realen Umsetzung
Für den Prototyp benötigten die Experten eine Bauzeit von sechs Monaten. Das neue Dach auf dem Forschungsgebäude NEST in Dübendorf bei Zürich soll dagegen in acht bis zehn Wochen fertig sein. An dieser Einrichtung erproben Wissenschaftler neuartige Leichtbauweisen und Gebäudetechnologien. Diese kommen auch beim Betondach selbst zum Einsatz. In die erste Lage Beton werden Heiz- und Kühlschlangen integriert. Es folgt eine Isolationsschicht, anschließend eine zweite Lage Beton. Sie wird Dünnschicht-Solarzellen enthalten, die zusammen mit der Glasfassade aus Solarmodulen das Forschungsgebäude autark mit Energie versorgen. Durch die geschwungene Dachform können die Solarzellen das Sonnenlicht optimal einfangen. Überschüssige Energie wird die Anlage ins Stromnetz einspeisen.
Digitale Planung als Erfolgsfaktor
Ein wichtiger Erfolgsfaktor des Projektes war die digitale Simulation für das innovative Betondach, denn die Software hat alle notwendigen Berechnungen abgenommen. Mit digitalen Gebäudemodellen sind bereits heute neuartige Dachkonstruktionen möglich, wie die 6.800 Quadratmeter große Dachschale aus Holz über dem Elefantenhaus im Züricher Zoo. Erfahren Sie mehr über dieses beeindruckende Projekt in unserer Fallstudie.