Fassaden verleihen Gebäuden nicht nur ihr charakteristisches Aussehen, sie müssen auch zunehmend hohen technischen Ansprüchen genügen und energetisch nachhaltig sein.
Laut einer Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie verursachen Gebäude rund 35 Prozent des Endenergieverbrauchs und ein Drittel der Treibhausgasemissionen in Deutschland. Die Fassade der Zukunft wirkt dem Klimawandel entgegen und vereint physikalische, energietechnische und gestalterische Aspekte auf ideale Weise. Bauindustrie und Wissenschaft stehen vor der großen Herausforderung, das Potenzial von Gebäudehüllen durch intelligente und gewerkeübergreifende Planung optimal zu nutzen. Vielversprechende Forschungsansätze und innovative Fassadenlösungen aus der Praxis gibt es bereits.
BIQ – Die Algenfassade
Im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg entstand mit dem Wohnhaus BIQ im Jahr 2013 ein Vorzeigemodell nachhaltiger Architektur. Es verfügt über eine Bioreaktorfassade, die das Gebäude mit Energie versorgt. In plattenförmigen Paneelen werden darin Mikroalgen gezüchtet, die durch Photosynthese Biomasse und Wärme produzieren. Anschließend werden sie geerntet und zur Biogasgewinnung weiter verwertet. Zusätzlich zur Biomasse entsteht Wärme, die sich für Heizung und Warmwasser nutzen lässt. Dieses ganzheitliche regenerative Energiekonzept setzt neue Maßstäbe im nachhaltigen Bauen.
Innovative Photovoltaik-Module aus der Forschung
Die Zukunft nachhaltiger Architektur liegt in der solaren Stromerzeugung. Viele Fassaden bieten aufgrund ihrer großen Fläche beste Voraussetzungen für die Integration von Photovoltaik-Modulen. Leider wird die Technologie aus budgetären Gründen selten in die Gebäudeplanung einbezogen. Forschung und Entwicklung verfolgen deshalb das ambitionierte Ziel, ökonomische und ökologische Aspekte miteinander in Einklang zu bringen. So entwickelten Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) unter dem Namen TPedge ein innovatives Verfahren in der Modulproduktion, welches die kostenintensive Folienlaminierung im Herstellungsprozess ersetzt. Ein wafer-basiertes Solarmodul kann in der Serienherstellung innerhalb einer Minute produziert werden. Zum Vergleich: Mit der Standardmethode dauert es 16 Minuten. Heute zieren 70 Solarmodule des innovativen Pilotprojektes die Außenfassade eines Laborgebäudes des ISE in Freiburg.
Eine Solarzelle mit Durchblick
Eine weitere zukunftsweisende Methode zur nachhaltigen Energiegewinnung erforschen Wissenschaftler derzeit an der Michigan State University. Sie suchen nach einer Möglichkeit, um Fensterflächen von Gebäuden für die Gewinnung von Solarenergie zu nutzen. Dafür haben sie im vergangenen Jahr eine Technologie für transparente Solarzellen vorgestellt, die gläserne Fassaden in Kraftwerke verwandeln könnte. Dabei richteten die Forscher ihren Fokus auf einen Teil des Lichtspektrums, der vom menschlichen Auge nicht wahrgenommen werden kann. So konnten sie einen Solarkonzentrator entwickeln, der, auf einer Fensterscheibe platziert, Strom erzeugt und für den Menschen unsichtbar ist. Die Technologie steht noch am Anfang, aber in Zukunft soll ein Wirkungsgrad von 20 Prozent möglich sein.
Nachhaltige Fassadenlösung am Beispiel Neubau des Spiegel-Verlags
Durch das großflächige Schließen und Dämmen von Wandflächen erreicht der Bauherr zwar Energieeffizienz, der Wohlfühlfaktor bleibt in diesen düsteren Gebäuden jedoch auf der Strecke. Eine intelligente Aufteilung geschlossener und verglaster Fassadenflächen ist deshalb die ideale Lösung. Das ist den Architekten von Henning Larsen Architects bei der Planung des Spiegel Verlag-Neubaus auf der Ericusspitze in Hamburg auf eindrucksvolle Weise gelungen. Die äußere, verglaste Gebäudehülle wirkt dabei wie ein „Fenster zur Stadt“, das auch für Multimedia-Projektionen genutzt werden kann. Die Wärmedämmverglasung ist energieeffizient und schützt vor Überhitzung im Sommer und Auskühlen im Winter. Die Innenwand des imposanten Gebäudes ist zu 35 Prozent geschlossen und dadurch energetisch nachhaltig.
Die Closed-Cavity-Fassade
Der Commerzbank-Tower in Frankfurt verfügt über Deutschlands erste Closed-Cavity-Fassade, eine doppelschalige Gebäudehaut mit einem komplett geschlossenen Zwischenraum. Durch die Belüftung des Raumes und die Trennung von Außen- und Innenklima verbessert sich die Energieeffizienz. Ein Sonnenschutz, der zwischen den zwei Schichten angebracht ist, passt sich den bestehenden Lichtverhältnissen an und sorgt dafür, dass das Raumklima im Sommer kühl ist und im Winter nicht auskühlt. Dadurch kommen Heizung und Klimaanlage seltener zum Einsatz. Das steigert wiederum die Nachhaltigkeit. Aber die doppelte Hülle hat auch einen Nachteil: Durch Kondenswasserbildung verschmutzen die Scheiben. Da der neuartige Fassadentyp völlig in sich geschlossen ist und nicht geöffnet werden kann, ist neben der Reinigung die Wartung von Gebäudeteilen wie dem Sonnenschutzmotor eine Herausforderung. Es gibt aber bereits vielversprechende Ideen zur Optimierung.
Chancen nutzen
Diese Beispiele zeigen, dass alle innovativen Fassadenlösungen in Zukunft ein zentrales Ziel verfolgen: Nachhaltigkeit und Energieeffizienz. Das Potenzial ist dabei so groß wie die Gebäudehüllen selbst. Jetzt gilt es, die Chancen optimal zu nutzen.