Wohnungsanzeigen locken Interessenten mit Beschreibungen wie „Lichtdurchflutete 3-Zimmer-Wohnung in zentraler Lage“ oder „Helle 2-Zimmer-Wohnung mit Tageslichtbad“. Natürliches Licht in den eigenen Vier Wänden ist für Immobiliensuchende ein wichtiges Auswahlkriterium. In diesem Beitrag erfahren Sie, welchen Stellenwert das Tageslicht in der Architektur einnimmt.
Tageslicht steigert das Wohlbefinden
Natürliches Licht ist gesund. Es wirkt stimulierend und beeinflusst die zentralen Körperfunktionen des Menschen, darunter auch die Hormonproduktion. Evolutionsbiologisch folgt die innere Uhr dem Rhythmus von Tag und Nacht. Tageslicht ist deshalb nie einfach nur Helligkeit, es hat maßgebliche Auswirkungen auf das körperliche und psychische Wohlbefinden. Lichtmangel hingegen kann zu biochemischen Veränderungen im Gehirn führen. Durch die Überproduktion des Hormons Melatonin, das den Schlaf-Wach-Rhythmus steuert, treten depressive Verstimmungen auf. Deshalb braucht der Mensch täglich eine mindestens zweistündige Tageslichtdosis von 2000 Lux. Sie sorgt für ein besseres Allgemeinbefinden, Motivation und Leistungsfähigkeit, nicht nur zuhause, sondern vor allem am Arbeitsplatz. Ein Lichtkonzept, das ergonomische Tageslichtröhren mit einer Farbtemperatur von etwa 5.500 Kelvin miteinbezieht, kann in den lichtarmen Wintermonaten dazu beitragen, die nötige Menge an Helligkeit zu gewährleisten.
Oberlichter für mehr Raumausleuchtung
Innovative Belichtungslösungen frühzeitig in die Planung einzubeziehen, ist besonders wichtig. Dabei stehen viele Architekten vor der Herausforderung, die Energieeffizienz des Gebäudes nicht zu beeinträchtigen. Denn je größer der Anteil der Glasflächen, desto höher ist der Wärmeverlust. Dank ISO-Fenstern und Wärmeschutzverglasung können heute zwar niedrigere U-Werte erreicht werden, ein intelligentes Klima- und Belüftungskonzept sind für den Einsatz von Glasfassaden dennoch unerlässlich. Die weniger aufwendige Variante bildet die Integration von Oberlichtern. Anders als Seitenfenster erreichen sie eine wesentlich bessere Raumausleuchtung. Dachflächenfenster sind dabei eine effektive Lösung für mehr Lichtausbeute. Denn je höher die Fenster angebracht sind, desto tiefer ist der Lichteinfall.
Das Pultdach als Lichtspender
Ein besonders innovatives Beispiel für smarte Belichtungslösungen stammt aus Tokio. Das Architekturbüro Shuji Fujita + Yuki Shinbo hat dort ein zweistöckiges Wohnhaus mit einem Pultdach realisiert. Es verleiht dem Haus eine Optik, die an einen geöffneten Schuhkarton erinnert. Die keilartige Form des verglasten Gefälledachs ermöglicht ein lichtdurchflutetes Obergeschoss mit optimalen Einfallswinkeln. Eine erweiterte Variante des Pultdaches bildet das verglaste Sheddach, das aus mehreren Pultdächern besteht, die hintereinander aufgereiht sind. Aufgrund seiner Zacken-Optik wird es deshalb auch als Sägedach bezeichnet. Der große Vorteil dieses Dachtyps ist sein natürlicher Lichteinfall aus nördlicher Richtung, der Schlagschatten verhindert und für eine gleichmäßige Beleuchtung sorgt. Vor allem inder Industriearchitektur hat sich das Sheddach bewährt, da es sogar große Produktionshallen mit Tageslicht optimal ausleuchten kann.
Tageslicht und Wissenschaft
Die Wissenschaft beschäftigt sich bereits seit längerer Zeit mit der Taghelligkeit und hat ihr großes Potenzial erkannt. Dabei untersuchen Lichtforscher Qualität und Raumgefühl, Gesundheit und Wohlbefinden sowie Energie und Nachhaltigkeit. Darüber hinaus werden Faktoren wie Klima, Architekturform, Gebäude- und Tageslicht-Öffnungsausrichtung, Material- und Glaswahl sowie Sonnenschutzeinrichtungen in die Forschungsarbeit einbezogen. Ihre Erkenntnisse sollen Architekten und Lichtplanern dabei helfen, natürliches Licht optimal zu nutzen, an die Bedürfnisse des Menschen anzupassen und in Nachhaltigkeitskonzepte zu integrieren.
Belichtung und nachhaltiges Bauen
Ein gelungenes Beispiel aus der Praxis sind die REWE Green Buildings. Großzügige Glasfassaden leiten das Tageslicht ins Innere des Supermarktes und vermitteln dem Kunden den Eindruck, er stehe auf einem offenen Wochenmarkt. Um das natürliche Licht optimal zu nutzen, integrierte Architekt Jürgen Koch Helligkeitssensoren, die die künstliche Beleuchtung je nach Tageslichtanteil dimmen bzw. nur dann einschalten, wenn es wirklich gebraucht wird. Durch die integrale Planung wird so rund 30 Prozent weniger Energie verbraucht. In Kombination mit weiteren Nachhaltigkeitsmaßnahmen wie der hauseigenen Produktion von Strom und Wärme aus Photovoltaik und Geothermie kann insgesamt 40 Prozent des Energiebedarfs gedeckt werden.
Beispiele wie diese zeigen, dass natürliches Licht einen wichtigen Stellenwert in der Architektur einnimmt. Tageslicht dient dem Architekten gewissermaßen als Bauelement, das - richtig eingesetzt - die biologischen Bedürfnisse des Menschen berücksichtigt und die Lebensqualität am Arbeitsplatz und in den eigenen vier Wänden steigert.