In der Oberpfalz, nahe der deutsch-tschechischen Grenze, liegt eine der größten und ältesten Kulturlandschaften Deutschlands: die Tirschenreuther Teichpfanne. Als Heimat gefährdeter Tier- und Pflanzenarten wurde das ökologisch bedeutende Areal Ende der 1990er Jahre zum Naturschutzgebiet erklärt. Baulicher Blickfang in der geschützten Wasserlandschaft ist seit 2012 die „Himmelsleiter“, eine Fußgängerbrücke, die eigentlich eine Aussichtsplattform ist.
Bauprojekt im Biotop
Die ersten Teiche im Naturschutzgebiet Waldnaabaue wurden vermutlich bereits im 10. Jahrhundert angelegt. Heute sind es circa 2.500 abgeschlossene Gewässer, die Naturbegeisterte und Touristen aus der Region anziehen. Zur Beruhigung des Besucherverkehrs in den sensiblen Bereichen des Öko-Areals wurde die alte Bahntrasse der Vizinalbahn zwischen Wiesau und Tirschenreuth in einen Rad- und Wanderweg umgewandelt. Mit der Heusterzbrücke ließen die Verantwortlichen 2010 eine Anbindung an den Einstiegspunkt Hohenwald fertigstellen. Die Realisierung übernahm das Architekturbüro Brückner & Brückner. Zwei Jahre später bekam das Unternehmen den Zuschlag für ein weiteres Bauprojekt im Biotop: Die „Himmelsleiter“.
Beeindruckender Brückenbau
Von ihrer Konstruktion her erinnert die Himmelsleiter an eine Fußgängerbrücke. Sie ist aber keine: Ihre eigentliche Funktion besteht nicht im Überbrücken. Vielmehr soll sie den Besucher in luftige 20 Meter Höhe führen, um ihm uneingeschränkte Sicht auf die einzigartige Teichlandschaft zu ermöglichen. Zwei lange, im Grundriss punktsymmetrische Treppenanlagen führen entlang des Rad- und Wanderweges hinauf auf eine stegartige, überdachte Aussichtsplattform. Von hier bietet sich ein wunderbarer Panoramablick auf das Naturschutzgebiet. Gleichzeitig findet der Besucher einen didaktischen Einstieg in die kulturhistorische Entwicklung der Tirschenreuther Teichpfanne. Die Brückenkonstruktion steht zudem wie ein großes Tor über dem Weg, durch das die Landschaft Fußgänger und Radfahrer empfängt.
Konstruktion aus Holz und Stahl
Die Himmelsleiter verfügt über eine tragende Konstruktion aus schlanken, verzinkten Stahlprofilen, die trotz der Dimension des Bauwerks maximale Transparenz gewährleisten. Heimische Hölzer bilden die nichttragende Verkleidung der Treppenanlage und der Aussichtsplattform. Vor allem aus der Ferne vermittelt das einen archaischen Eindruck, der perfekt in die Biotoplandschaft passt. Das gesamte Bauwerk besteht aus Holz und Stahl. Die Materialien bieten nicht nur eine nachhaltige und zeitgemäße Lösung. Sie sind zugleich eine Reminiszenz an die früheren Bahnschienen.
Perfekt geplanter Ingenieurbau
Mit den statischen Berechnungen der Himmelsleiter wurde das Ingenieurbüro Bodensteiner & Partner aus Weiden in der Oberpfalz beauftragt. Da beide beteiligten Unternehmen ALLPLAN verwenden, konnten Ingenieure und Architekten ihre Arbeit perfekt aufeinander abstimmen. So ließ sich etwa der Datenaustausch ohne die sonst üblichen, zeitraubenden Ungenauigkeiten und Verluste innerhalb der Planung bewerkstelligen. Zudem profitierten die Projektbeteiligten von der Bewehrungsplanung in 3D. Eine etwas knifflige Aufgabe stellten die verschiedenen Stützenquerschnitte und Stützachsen dar. Sie verschoben sich permanent über die gesamte Länge des Bauwerks hinweg und führten zu unterschiedlichen Köchergrößen und -lagen. Hier machte sich eine automatische Kollisions- und Massenkontrolle, die über den Planungsfortschritt hinweg fortgeschrieben wurde, besonders bezahlt.
Das Architekturbüro wurde für die außergewöhnliche Brückenkonstruktion seiner Aussichtsplattform mit dem „best architects 15 award“ und dem BDA Regionalpreis Niederbayern-Oberpfalz ausgezeichnet. Gemeinhin bringen Fußgängerbrücken Passanten sicher auf die andere Seite. Die Himmelsleiter eröffnet ihnen aus der Höhe eine ganz wundervolle Welt.