Geschosswohnungsbau in Holz – geht das? Und ob! Voraussetzung ist allerdings die Einhaltung strenger Brandschutzvorschriften. Die Lösung sind momentan Hybride aus Holz und Stahlbeton.
Es ist einer der ältesten Baustoffe der Welt und wird auch zukünftig noch eine tragende Rolle spielen: Holz. Nachdem die Feuerstürme der Bombardements im 2. Weltkrieg die Holzbauten in den Städten verzehrt und nur Gebäude auf mineralischer Basis übriggelassen hatten, wurde Holz jahrzehntelang als Baumaterial verschmäht. Mit wachsendem Bewusstsein für ein ressourcenschonendes und nachhaltiges Bauen gewinnt der Naturbaustoff nun seit einigen Jahren wieder zunehmend an Bedeutung. Zu Recht, besitzt Holz doch gegenüber anderen Materialien eine ganze Reihe an Vorzügen. Diese werden mittlerweile nicht nur für den Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern wieder-, sondern auch für den Geschosswohnungsbau neuentdeckt.
Holz, ein Alleskönner
Holz ist, gemessen an seinem Gewicht, der stabilste Baustoff. Es lässt sich hervorragend vorfertigen und eignet sich so bestens für eine Systembauweise, die den Bauprozess immens verkürzt. Da es besser dämmt als Stahlbeton, lassen sich Wände dünner bauen und größere Flächen erreichen. Kein Baustoff ist umweltfreundlicher: Holz wächst nach und nutzt dazu reine Sonnenenergie. Dabei speichert es CO2 und wirkt so dem Treibhauseffekt entgegen. Von allen Baustoffen benötigt es in der Verarbeitung am wenigsten Energie und lässt sich am besten recyceln. Holz sorgt sogar für ein angenehmes Raumklima und ist, wie zahlreiche Studien belegen, gesund für Geist und Körper.
; E3 in Berlin, Kaden + Lager
Problem Brandschutz
Kurzum: Holz ist schier unschlagbar. Oder doch nicht? Wie kommt es, dass wir, bei allen Vorteilen, die dieses Material mit sich bringt, nicht schon längst allen Ortes Holzbauten in allen Größen sehen? Die Gründe hierfür liegen, insbesondere für den Geschosswohnungsbau, im Brandschutz. Das Vorurteil unsicherer Bauten und die damit verbundenen, teils überzogenen Gesetze wurden erst in den Nullerjahren revidiert, als in verschiedenen Versuchen nachgewiesen wurde, dass Holzbauten, wenn richtig konstruiert, mindestens genauso sicher sind wie andere Konstruktionen. Im Zuge dieser neuen Ergebnisse wurden die Brandschutzgesetze in Europa gelockert und der Weg für hölzerne Geschosswohnungsbauten geebnet.
In Deutschland muss nach aktueller Gesetzeslage ein Holzhaus mit mehr als drei Geschossen einem Brand 60 bis 90 Minuten standhalten können, ohne einzustürzen. Außerdem dürfen die Fluchtwege nicht aus brennbarem Material bestehen. Die mit jeweils 25 Metern beiden höchsten Holzhäuser Deutschlands, das E3 in Berlin (Kaden Klingbeil Architekten) und das H8 in Bad Aibling (SCHANKULA Architekten), verfügen deshalb über ein externes Treppenhaus mit Stegen aus Stahlbeton bzw. einen Treppenhauskern aus demselben Material.
Wie hoch geht’s denn?
Rein statisch betrachtet, scheinen extrem hohe Häuser in Holz kein Problem darzustellen. Der beste Beweis hierfür ist derzeit ein Pionier-Projekt in Wien. Hier entsteht mit dem 24-geschossigen und 84 Meter hohen HoHo das höchste Holzhaus der Welt. Allein die Genehmigung für den Ausnahmenbau dauerte zwei Jahre – natürlich auch wegen des Brandschutzes. Für letzteren wird das Gebäude unter anderem über einen Stahlbetonkern verfügen, welcher Liftschächte, Treppenhäuser, Fluchtwege und überhaupt die komplette Infrastruktur beherbergt.
Fazit: Hybrid für die Höhe
Um die vielen Vorzüge von Holz auch in der Masse, sprich im Geschosswohnungsbau, nutzen zu können, scheint die beste Lösung momentan noch eine Hybridbauweise aus Holz und Stahlbeton zu sein. Dass auch eine solche lohnt, zeigt eine Rechnung des für das HoHo Wien verantwortlichen Architekturbüros Rüdiger Lainer + Partner: Das Hochhaus mit einem Holzanteil von 74 % wird, im Vergleich zu einem konventionellen Gebäude, beim Bau so viel graue Energie einsparen, wie ein PKW bräuchte, um 1.100 Jahre lang täglich eine Strecke von 40 km zurückzulegen.