Stuttgart 21, deine Kelchstützen: Meisterwerke der Bewehrungsplanung
57 Kilometer lang. Bis zu 2300 Meter tief. 28,2 Millionen Kubikmeter Gestein. Der Gotthard-Basistunnel von Erstfeld nach Bodio ist ein Projekt der Superlative: Länger, tiefer, schneller. Am 11. Dezember 2016 wurde er offiziell für den Güterverkehr freigegeben.
Es ist vollbracht
Er ist ein Zeichen schweizerischer Präzision: der Gotthard-Basistunnel. 17 Jahre Arbeit bis das Vorzeige-Beispiel des europäischen, ach was, des weltweiten Tunnelbaus fertig war. Aber wie heißt es so schön: Gut Ding will Weile haben. Dieser Meinung waren auch die Schweizer. Und das bedeutet nicht, dass sie sich extra Zeit gelassen oder finanzielle Schwierigkeiten wie bei deutschen Großprojekten (Stuttgart 21, Elbphilharmonie, Flughafen Berlin Brandenburg) die Fertigstellung verzögert haben.
Alles unter Kontrolle
Mit knapp 12 Milliarden Franken liegen die Kosten über der eigentlich prognostizierten Summe von knapp 6 Milliarden Franken. Doppelt so teuer, 6 Milliarden mehr als geplant. Ok, das ist schon eine Stange Geld. Und auch von Bauverzögerungen blieb das Mammutprojekt nicht verschont. Aber die Schweizer haben alles im Griff. Sie konnten schnell und erfolgreich gegensteuern. Das liegt mit daran, dass es in allen Bauphasen große Transparenz und strenge öffentliche Kontrollen durch einen Parlamentsausschuss gab.
Immense Kostenexplosionen wie in Berlin, Hamburg oder Stuttgart konnten daher nicht entstehen. Klar, 6 Milliarden Franken sind nicht wenig, aber im Vergleich mit dem Berliner Flughafen blieben die Mehrausgaben konstant. Seit 2008 blieben die Kosten im geplanten Rahmen und der anvisierte Termin 2017 konnte sogar um ein Jahr unterboten werden.
Das Mega-Bauwerk
Der Gotthard-Basistunnel ist ein Tunnelbau aus zwei getrennten Röhren für den Zugverkehr, sowie einer Fluchtröhre. Mehrere Quertunnel verbinden die beiden Röhren miteinander. Knapp 8 Meter Durchmesser haben sie jeweils. Alle 325 Meter sind Querstreben angebracht, die bei Notfällen als Zufluchtsort sowie als Fluchtweg in die anderen Röhren dienen. Insgesamt haben die Röhren eine Länge von 152 Kilometern. Dabei wurden 290 Kilometer Schienen und 380.000 Schwellenböcke verlegt.
Mit seinen 57 Kilometern ist er der längste Tunnel der Welt und verweist den Seikan-Tunnel zwischen den japanischen Inseln Honshu und Hokkaido und den Eurotunnel unter dem Ärmelkanal auf den zweiten und dritten Platz. Da er unter bis zu 2300 Metern Gestein verläuft ist er auch gleichzeitig der tiefste Tunnel der Welt. Da er nur geringfügige Steigungen aufweist, spricht man hier von einer Flachbahn.
Arbeiten - Tag und Nacht
Zu Spitzenzeiten arbeiteten rund 2400 Personen auf den Baustellen am Tunnelbau. Und das rund um die Uhr. Aufgeteilt in drei Schichten. 152 Kilometer Strecke und 28,2 Millionen Tonnen Ausbruchsmaterial haben die Arbeiter dabei zurückgelegt. Fast so lang wie vier aneinander gereihte Fußballfelder war die Tunnelbohrmaschine am Gotthard.
450 Meter lang, 2700 Tonnen schwer und ein Durchmesser von bis zu 9,5 Metern. Mit 6 Umdrehungen pro Minute hat sich das Ungetüm durch die unterschiedlichsten Gesteinsschichten gebohrt. Von hartem Granit über zerbrochene Sedimente. 80 Prozent des Tunnelbaus erfolgte mit Hilfe der Tunnelbohrmaschinen; die restlichen 20 Prozent mit konventionellem Sprengvortrieb.
Quer durch die Alpen
Der Gotthard-Basistunnel verläuft von der zentralschweizer Ortschaft Erstfeld bis nach Bodio im Kanton Tessin. Ab sofort bildet er das Herzstück der neu ausgebauten Bahnstrecke zwischen Nord- und Südeuropa. Sie verbindet die Industriezentren Belgiens, Italiens, Deutschlands, der Niederlande und der Schweiz. Vor allem die Hafenstädte Rotterdam und Genua sollen vom Frachtverkehr profitieren.
Ein Tunnel mit langer Geschichte
17 Jahre dauerte der Bau des Tunnels; die Planungen zu diesem Projekt reichen aber schon weiter zurück. Bereits 1947 skizzierte der Ingenieur und Verkehrsplaner Carl Eduard Gruner die Idee eines Gotthard-Basistunnels zwischen Amsteg und Bodio. Bis es realisiert wurde sollten aber noch mehrere Jahrzehnte vergehen.
In den 1960er Jahren setzte die Schweizer Regierung erstmals ein Gremium ein, das den Bau eines Basistunnels unter dem Gotthard prüfen sollte. Die Rezession der 70er-Jahre und die Uneinigkeit zwischen den Befürwortern verschiedener Varianten blockierten den Tunnelbau für Jahrzehnte. 1992 und 1998 stimmten die Schweizer dann in zwei Referenden für den Bau. Ein Jahr später, 1999, begannen schließlich die Arbeiten für das Mammutprojekt. 15 Jahre später konnte der Alpen-Durchstich gefeiert werden.
Hätten die Arbeiten schon Jahre vorher angefangen, wäre man wahrscheinlich nicht so schnell vorangekommen. Hauptsächlich durch Sprengen und Bohren der einfachsten Art wäre man damals vorwärtsgekommen. Jetzt erledigte ein hochmodernes und gigantisches Tunnelbohrgerät die Arbeit.
Sissi, Heidi, Gabi I und Gabi II
Das sind nicht irgendwelche Frauennamen, nein. Das sind die Kosenamen der vier Bohrmaschinen, jede einzeln über 400 Meter lang. Sie fraßen sich durch das Gestein, trugen es ab und verlegten gleichzeitig vorfabrizierte Betonwände. Hochmoderne Bohrtechnik aus Deutschland, genauer gesagt aus Baden-Württemberg. Der erste Bohrkopf mit einem Durchmesser von 9,5 Metern steht heute im Museum.
Der große Vorteil des Tunnels
Ab sofort sollen Personenzüge von bis zu 200 Stundenkilometern den Tunnel durchfahren. Zwei Personenzüge pro Stunde und Richtung verkehren demnächst auf der Strecke. So wird sich die Reisezeit zwischen Zürich und Mailand um eine halbe Stunde verkürzen. Des Weiteren wollen die Schweizer den Transport von Gütern und Menschen mehr und mehr von der Straße auf die Schiene verlagern. Mit Hilfe des neuen Bahntunnels und einer höheren LKW-Maut soll die Zahl der LKW-Fahrten gesenkt und so die Alpenlandschaft geschützt werden.