Gerenderte Kunst: So wird Bauwerken auf malerische Weise Leben eingehaucht

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Die Grenzen zwischen Architektur und den bildenden Künsten sind oft fließend. Der große Unterschied scheint hauptsächlich in der Funktionalität zu liegen, die Architektur gegenüber reinen Kunstwerken auszeichnet. Doch auch lange bevor die Funktionen eines fertigen Bauwerks in Anspruch genommen werden können, entsteht bereits Kunst. In der Entwurfsphase, in welcher der kreative Anteil des Bauens am stärksten ausgeprägt ist, nehmen bauliche Strukturen in Form von Skizzen und Zeichnungen Gestalt an. Und noch vor dem ersten Spatenstich wird Bauwerken oftmals in geradezu malerischer Weise Leben eingehaucht: als Renderings.

Kunstfertige Renderings bzw. Visualisierungen dienen hauptsächlich der „Vermarktung“ von Projekten, wo sie zunehmend zum guten Ton gehören. Sie veranschaulichen Bauherren, wo die Reise hingeht, leisten Überzeugungsarbeit bei Wettbewerbsjurys und sind darüber hinaus Teil der Öffentlichkeitsarbeit von Architekturbüros. Ein gut inszeniertes Rendering kann – wie jedes gelungene Bild – bei den visuell verwöhnten Betrachtern unserer Zeit viel bewirken. Daher lassen selbst einige der größten und renommiertesten Büros ihre Entwürfe von externen „Meistern“ der Visualisierungskunst verbildlichen.

MIR: die Renderer der Großen

Ein berühmtes Beispiel für diese Praxis sind Zaha Hadid Architects. Deren spektakuläre Entwürfe werden stets auch in Form großartiger Renderings präsentiert, die häufig vom norwegischen Kreativstudio MIR stammen. Das Büro mit Sitz in Bergen ist nach eigener Aussage auf das „Porträtieren“ ungebauter Architektur spezialisiert. Das machen die Mitarbeiter von MIR so geschickt, dass die Eigenschaft des Ungebauten bisweilen gar nicht auffällt. Neben dem „Porträtieren“ zeigt auch die Jobrubrik auf der Website von MIR, dass das Büro eindeutig einen künstlerischen Anspruch hat. Hier kann man sich nämlich entweder als Künstler oder „Padawan“ (vermutlich Auszubildender oder Praktikant) bewerben.

Täuschend echt

Ein weiteres großes Architekturbüro, das auch immer wieder mit beeindruckenden Renderings für seine Entwürfe auffällt, ist Henning Larsen Architects. Auch hier lässt sich manchmal das am Computer Erschaffene kaum von einer Fotografie gebauter Wirklichkeit unterscheiden. Ein anschauliches Beispiel hierfür bietet etwa The Wave im dänischen Vejle. Der Name ist bei diesem Projekt Programm: The Wave ist ein Wohnhaus, bestehend aus mehreren wellenförmigen Volumen, die ineinander übergehen. Kurioser Weise zeigen die Renderings fünf Wellen. Das gebaute Endresultat besitzt allerdings nur zwei. Bei einer Gegenüberstellung von Fotografien und Renderings, die das Gebäude aus der Ferne zeigen, kann der Unwissende jedoch kaum sagen, welche die Realität widerspiegeln.

Bilder gehen um die Welt

 

Das tschechische Architekturbüro ATELIER 8000 ist international gewiss weit weniger bekannt als oben genannte Kollegen. Allerdings gelang es ihm 2014, in der Fachpresse weltweit für Aufsehen zu sorgen – mit spektakulären Renderings. Diese gehörten zu einem Entwurf, mit welchem das Büro an einem Wettbewerb um ein Mischgebäude für Reisende in der slowakischen Hohen Tatra teilnahm. Sie zeigen einen auf der Kante liegenden Kubus, als wäre er vom Himmel hinab in die atemberaubende Naturlandschaft gestürzt. Den Wettbewerb gewann Atelier 8000 zwar nicht, die Bilder von seinem Entwurf jedoch bleiben unvergessen.

In dieser Hinsicht können also auch nicht gebaute Entwürfe von Bedeutung sein, solange sie wenigstens als gerenderte Kunstwerke der Welt erhalten bleiben. Und manchmal ist es womöglich gar das bessere Los, statt des Baus nur einige Bilder zu haben.