Je früher, desto besser: Automatisierte Analyse der Ökobilanz von Bauprojekten
Gemüse, das lernt jedes Kind, gehört zu einer gesunden Ernährung dazu. Wer hätte jedoch gedacht, dass die pflanzlichen Nahrungsmittel nicht nur uns gesünder, sondern auch Beton besser machen? Was fast märchenhaft nach Alchimie klingt, ist mittlerweile ein Fakt moderner Materialforschung: Neueste Forschungsergebnisse der Lancaster University und der Firma CelluComp belegen, dass offenbar kein anderes Zusatzmittel Beton so leistungsfähig macht wie aus Gemüse gewonnene Nanocellulose-Plättchen. Das neue Verfahren zur Herstellung leistungsfähigerer Betone würde obendrein in mehrerlei Hinsicht dazu beitragen, dass Beton grüner wird.
Wenn sich Bioingenieure zusammentun, um die Welt zu verbessern, kann das schon seltsame – und mitunter geniale – Ausmaße annehmen. So begaben sich die beiden Materialforscher Dr. David Hepworth und Dr. Eric Whale, ausgerüstet mit einem fundierten Wissen über cellulosische Stoffe und einer Leidenschaft für Nachhaltigkeit, Anfang der Nullerjahre auf die Suche nach einer Alternative zu Kohlenstofffasern. Fündig wurden sie schließlich in Nanocellulose-Plättchen, die sie aus diversen Wurzelgemüsen extrahierten. Ihre Erfindung tauften sie auf den Namen Curran® und gründeten für deren Vertrieb die Firma CelluComp. Während das Material 2007 erstmals erfolgreich in einer Angelrute zum Einsatz kam, werden seither auch andere Anwendungsgebiete erforscht.
Visionäre am Werk
Eine vielversprechende Applikation stellt die Verwendung von Curran® als Verbundstoff in Beton dar. Frühere Experimente haben ergeben, dass die mechanischen Eigenschaften von Beton durch die Zugabe von Nanocellulose-Plättchen erheblich verbessert werden. Erstaunlicherweise zeitigte der „Beton-Gemüse-Verbund“ sogar bessere Ergebnisse als Betonverbünde mit wesentlich teureren „Wundermitteln“ wie Graphen oder Kohlenstofffasern. Finanziell unterstützt durch das EU Förderprogramm Horizont 2020, untersucht nun die Lancaster University zusammen mit CelluComp in einem zweijährigen Forschungsprojekt, wie diese Verbesserung genau zustande kommt. Von besonderem Interesse ist dabei auch die Reduzierung des produktionsbedingt klimaschädlichen Zementanteils im Beton.
Mehr Leistung, weniger CO2
Momentan beträgt der Anteil der Zementherstellung an den weltweiten CO2-Emissionen acht Prozent. Aufgrund der steigenden Nachfrage könnte sich diese Zahl in den nächsten 30 Jahren gar verdoppeln. Die Verringerung des Zementanteils im Beton stellt daher ein wichtiges Ziel im Klimaschutz dar. Durch Verbesserungen der mechanischen Eigenschaften und in der Mikrostruktur, wird dank der Nanocellulose-Plättchen genau das möglich. Erste Untersuchungen haben ergeben, dass die Nanoplättchen den Anteil des für die Leistungsfähigkeit des Betons entscheidenden Calciumsilikathydrats erhöhen, während sie gleichzeitig eine dichtere Mikrostruktur bilden, die Risse im Beton verhindern und ihn so langlebiger machen.
Anwendung auf bestehende Betonstrukturen
Neben der eigentlichen Funktionsweise soll auch erforscht werden, inwiefern sich bestehende Betonstrukturen durch Auftragen dünner Lagen des pflanzlichen Materials verstärken lassen. Die Forscher um Mohamed Saafi an der Lancaster University gehen davon aus, dass die Nanocellulose-Plättchen auch hier andere Materialien wie Kohlenstofffasern übertrumpfen werden – unter anderem, da die Nanocellulose-Lagen die Betonteile biegsamer machen dürften.
Besser und grüner
Das pflanzliche Additiv macht Beton nicht nur leistungsfähiger als andere Zusatzstoffe, es ist auch in der Gewinnung günstiger und umweltfreundlicher, nicht zuletzt, weil Gemüse nachwächst. Ganz allein sind die Wissenschaftler mit ihrer Forschung übrigens nicht: An der US-amerikanischen Purdue University experimentieren seit einigen Jahren Kollegen von Saafi ebenfalls mit Cellulose-Beton – mit ähnlich vielversprechenden Ergebnissen. Hier verwendet man allerdings Nanocellulose-Kristalle, die aus Holzfasern hergestellt werden. Als Hauptquelle für Curran® nutzt CelluComp hingegen Zuckerrübenschnitzel – ein Abfallprodukt der Zuckerherstellung, welches ansonsten hauptsächlich als Futtermittel verwendet wird. Insofern bleibt der „Gemüsebeton“ daher wohl doch ein Alleinstellungsmerkmal von CelluComp und der Lancaster University.