Dank eines bahnbrechenden millimetergenauen Satellitenmessverfahrens der NASA könnten Katastrophen wie der Einsturz der Morandi-Brücke zukünftig leicht vorhergesehen werden.
Der auf einen kollabierten Pylon zurückgehende Einsturz der genuesischen Morandi-Brücke am 14. August 2018 zählt zweifellos zu den größten Katastrophen, die in der jüngeren Geschichte durch Bauschäden verursacht wurden. 43 Menschen kamen damals ums Leben, 619 direkte Anwohner verloren ihr Zuhause. Dank eines neuen Satelliten-Frühwarnsystems könnten nun ähnliche Unglücke mit höchster Treffsicherheit vorhergesagt und letztlich verhindert werden. Wie präzise das System arbeitet, wurde bereits in beeindruckender Weise unter Beweis gestellt – am Beispiel der Morandi-Brücke.
Es klingt wie ein hehrer Traum für Instandhalter: Ein System vergleicht aktuelle millimetergenaue Abbilder mit älteren, ebenso exakten Bildern desselben Bauwerks und erkennt nahezu in Echtzeit kleinste Veränderungen in diesem. Die Entwicklung eines ebensolchen Frühwarnsystems ist kürzlich Forschern des Nasa Jet Propulsion Laboratory (JPL) und der University of Bath gelungen. Dank eines verbesserten Prozesses für Synthetic Aperture Radar – einem besonders präzisen radargestützten bildgebenden Verfahren – konnten die Wissenschaftler zuletzt mithilfe von Satelliten Vermessungen im Millimeterbereich vornehmen. Bislang ließen sich mit den elektromagnetischen Wellen aus dem All lediglich zentimetergenaue Darstellungen erzeugen. Durch Aufnahmen aus verschiedenen Blickwinkeln entsteht dabei ein exaktes, dreidimensionales Gegenstück zum Bauwerk. Ein Algorithmus wertet wiederum die Daten aus und macht etwaige Bewegungen nachvollziehbar.
Testobjekt Morandi-Brücke
Zur Demonstration des neuartigen Verfahrens werteten die Forscher Daten der Italian Space Agency von der Morandi-Brücke aus, die mithilfe von vier Satelliten des Cosmo-Skymed-Programms (Constellation of small Satellites for Mediterranean basin Observation) sowie weiterer Beobachtungssatelliten aus dem Sentinel-Programm der Europäischen Weltraumorganisation ESA erzeugt worden waren. Diese zeigten, dass sich subtile Veränderungen in der Fahrbahn auf Höhe des später kollabierten Pylonen bereits 2015 abzeichneten. Darüber hinaus konnte zwischen März 2017 und August 2018 in mehreren Bereichen der Brücke eine signifikante Zunahme an strukturellen Veränderungen beobachtet werden, die darauf hindeuteten, dass sich zumindest ein Teil des Viadukts in einem kritischen Zustand befand.
Umfassende Bauwerküberwachung aus dem All
Im Nachhinein betrachtet, hätte also mithilfe solcher Satellitendaten das Unglück vermutlich verhindert werden können. Die neue Technologie offenbart dabei enorme Vorteile gegenüber gängigen Überwachungsverfahren. Letztere bestehen in der Regel in der Verwendung von Sensoren vor Ort, die jedoch nur bestimmte Teile des Bauwerks überwachen. Die kritischen Veränderungen im betroffenen Pylon, die sich auf den radargenerierten 3D-Bildern eindeutig nachvollziehen lassen, waren den Sensoren jedoch entgangen. Was den Autoren der Studie nun vorschwebt, ist eine umfassende automatische Überwachung infrastruktureller Bauten. Hierzu bedarf es jedoch auch einer kontinuierlichen und umfassenden Abdeckung durch Synthetic Aperture Radar aus dem All. Die NASA plant daher derzeit zusammen mit der indischen Raumfahrtbehörde (ISRO) das NASA-ISRO Synthetic Aperture Radar (NISAR), das die Abdeckung enorm erhöhen soll.