Seit mehr als zehn Jahren veranstaltet das US-amerikanische Architektur- und Designmagazin eVolo die eVolo skyscraper competition. Beim viel beachteten Wettbewerb sind fertige Architekten und Architekturstudenten dazu angehalten, das Hochhaus unter Berücksichtigung neuester Technologien, nachhaltiger Systeme sowie von Lösungen für ökonomische, soziale und kulturelle Probleme praktisch neu zu erfinden. Die Einreichungen sind dabei mitunter spektakulär. So auch der Siegerbeitrag des Wettbewerbs. „Skyshelter.zip“ widmet sich der humanitären Hilfe für Katastrophenopfer und liefert dabei eine Hochhausvision, die sich hochgradig mobil und wandlungsfähig zeigt. Allerdings krankt das Konzept leider auch ein Stückweit an Realitätsferne.
Einer Statistik der Thomson Reuters Foundation zufolge verlieren jährlich 14 Millionen Menschen ihr Zuhause durch Naturkatastrophen. Bei steigender Weltbevölkerung und gleichzeitigem Klimawandel wird diese Zahl vermutlich noch steigen. Die polnischen Architekturstudenten Damian Granosik, Jakub Kulisa und Piotr Pańczyk nahmen sich in ihrem Entwurf Skyshelter.zip dieses Problems an und kreierten eine temporäre Notfallunterkunft der besondere Art. Eine Art Pop-up-Zelt im Hochhausformat soll möglichst vielen Notleidenden möglichst schnell ein Dach über dem Kopf und Raum für medizinische Versorgung bieten.
Einmal entpacken, bitte.
Die Anspielung auf die gängige ZIP-Dateikomprimierung im Namen offenbart bereits das Konzept des Entwurfs, wonach das Gebäude zunächst maximal komprimiert ist und erst bei Bedarf „entpackt“ werden soll. Komprimiert wäre Skyshelter.zip daher lediglich ein Paket von geringer Höhe und vom Umfang her seiner Grundfläche entsprechend. Im Bedarfsfall könnte dieses Paket von einigen Hubschraubern zum Einsatzort gebracht werden. Nach der Verankerung im Boden würde ein Heliumballon am oberen Ende die Konstruktion aufrichten, die sich dabei akkordeonartig zu einem kompletten Hochhaus entfaltet. Maximal zehn Geschosse sieht der Entwurf vor, welche Rezeption und Lager, medizinische Einrichtungen, Unterkünfte und eine vertikale Farm beherbergen könnten.
Hilfreiche Technik
Entsprechend den Wettbewerbsanforderungen, bedient sich Skyshelter.zip neuester Technologien. 3D-gedruckte Leichtgewichtböden sind über Stahlseile mit dem Ballon verbunden, welche die Konstruktion aussteifen lassen, sobald sie ausreichend gespannt sind. Die mit den Böden verbundenen Wände bestehen aus ETFE-beschichteten Textilplanen. Die Außenseiten sind mit hauchdünnen Perowskit-Solarzellen beschichtet, welche die „Himmelsherberge“ mit Strom versorgen. Der Ballon ist zudem so geformt, dass Regenwasser durch eine Öffnung in der Mitte aufgenommen und mittels diverser Filter nutzbar gemacht werden kann. Durch die Gasmenge im Ballon lässt sich übrigens auch die Höhe der Notunterkunft bzw. die Zahl der Stockwerke regulieren.
Vorteile eines „Hochnotzeltes“
Der große Vorteil von Skyshelter.zip gegenüber den sonst üblichen Zelten wäre sein geringer Fußabdruck im Verhältnis zur Zahl der Menschen, die in ihm untergebracht werden könnten. So müsste nur eine um etwa 30 Mal kleinere Fläche für die Notunterkunft geräumt werden. Ein weiterer Vorteil läge in der hohen Mobilität, welche schnelle Hilfe auch für von Straßen abgeschnittene Areale ermöglichte. Die immense Höhe würde Opfern in der Umgebung zudem als Landmarke dienen und ihnen den Weg zu Notunterkunft und Hilfe weisen.
Schön, aber nicht machbar
Ob das Konzept in dieser Form auch realistisch ist, bleibt eher zu bezweifeln. So werfen etwa die Aussteifung gegen Windlasten und die Evakuierung des „Hochzeltes“ im Brandfall weitere Fragen auf. Das größte Problem läge jedoch im Heliumballon: Da ein Kubikmeter Helium nur einen Auftrieb von 1,1145 Kilogramm erzeugt, wäre ein enorm viel größeres Volumen für ausreichend Helium nötig, um die vielen Tonnen der Konstruktion, deren Einrichtung und Menschen tragen zu können. So viel Helium wäre dann auch schlichtweg viel zu teuer. Am Ende bleibt Skyshelter.zip also zwar eine schöne, aber nur dem Anschein nach gute Idee.