Forschern der ETH Zürich ist es endlich gelungen, die Korrosion von Stahlbeton genau vorherzusagen. Die neue Berechnungsmethode könnte dabei auch klimafreundlicherem Bauen zugutekommen.
Die Lebensdauer von Stahlbetonbauten ist signifikant vom Korrosionsgrad der Bewehrung abhängig. Bislang war die Vorhersage für die Korrosion von Bewehrungsstahl jedoch recht ungenau. Einerseits stellte man fest, dass der Stahl in besonders trockenem oder extrem nassem Beton am wenigsten korrodiert. Andererseits zeigten jedoch bereits Experimente in den 1920ern, dass vergrabener Stahl umso mehr rostete, je nasser der Boden war. Nun haben Forscher der ETH Zürich ein theoretisches Modell entwickelt, das erstmals exakt die Korrosion von Bewehrungseisen in verschiedenen Verbundstoffen bestimmen kann. Dabei spielt eine neue Erkenntnis zum Korrosionsverhalten eine bedeutende Rolle.
Bisher ging man davon aus, dass die Korrosion von Bewehrungsstahl vom Verhältnis zwischen Wasser und Sauerstoff abhinge. Bei großer Nässe könne wenig Sauerstoff durch das Wasser diffundieren, bei Trockenheit hingegen fehle schlicht das Wasser, um mit dem Sauerstoff zu reagieren. Daher also die Prämisse hoher Nässe oder eben Trockenheit für eine möglichst geringe Korrosion. Wissenschaftler der ETH Zürich um Professor Ueli Angst haben nun jedoch herausgefunden, dass nicht so sehr die Diffusität für Sauerstoff, sondern ein anderer Faktor von zentraler Bedeutung ist: die Porosität des Mediums, in dem sich der Stahl befindet.
Poren im Beton
Den ETH-Forschern zufolge findet dort, wo das Metall mit Feststoffen in Kontakt ist, keine Korrosion statt. „Dort, wo das Metall mit Poren in Kontakt ist, kann es hingegen zu Korrosion kommen“, erklärt Ueli Angst. Voraussetzung ist dabei, dass sich die Poren mit Wasser füllen. Je mehr Wasser, desto stärker die Korrosion. Sind die Poren mit Luft gefüllt, passiert nichts. Auf Grundlage dieser Erkenntnis konnten Angst und seine Kollegen ein theoretisches Modell entwickeln, das nicht nur die Korrosion von Stahl in Beton genau vorhersagt. Die Wissenschaftler können nun auch Messungsergebnisse aus den letzten 50 Jahren endlich rechnerisch nachvollziehen.
Bahn frei für klimafreundliche Zemente
Das ETH-Berechnungsmodell ist umso bedeutsamer, als es auch neue Möglichkeiten für klimafreundlichere Zemente erschließt, die aufgrund geringerer Alkalinität einen schlechteren Korrosionsschutz als herkömmlicher Portlandzement bieten. Wie Ueli Angst betont, müsse Korrosion nämlich nicht zwingend zu Schäden an einem Bauwerk führen, sofern sie langsam ablaufe. „Mit unserem Modell können wir nun quantitative Aussagen dazu machen, wie die Korrosion in unterschiedlichen Betonsorten und Umgebungsbedingungen abläuft“, sagt der Professor für Dauerhaftigkeit von Werkstoffen. In anderen Worten: Wenn man genau weiß, wie lange etwas hält, kann man auch darauf bauen.