Bewegtes Einheitsdenkmal: die „Waage“

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Dass Deutschland heute ein geeintes Land ist, ist zu großen Teilen den Hunderttausenden mutiger Menschen zu verdanken, die 1989 und 1990 in der damaligen DDR auf die Straße gingen, um für ihre Freiheit einzustehen. In einer historisch einzigartigen friedlichen Revolution erwirkten sie das Ende des SED-Regimes und die Öffnung der innerdeutschen Grenze und ebneten so der Wiedervereinigung den Weg. Lange Zeit war die Deutsche Gesellschaft e.V. bestrebt, diesen Menschen ein Denkmal zu setzen. Nach einer Reihe von Widrigkeiten soll dieses nun endlich gebaut werden. Nach einem Entwurf des Architekturbüros Milla & Partner und der Choreographin, Tänzerin und Opernregisseurin Sasha Waltz.

„Bürger in Bewegung“ nennt sich der Entwurf des Stuttgarter Architekturbüros, welcher demnächst auf dem Sockel des ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmals vor dem Berliner Stadtschloss verwirklicht wird. Ein treffender Name, denn letztendlich werden hier Bürger durch ihre eigene Bewegung das Bild des Denkmals mitgestalten können. Und zwar immer wieder aufs Neue. Der Entwurf sieht nämlich eine 1.400 Quadratmeter große Schale vor, die, als begehbare Waage konzipiert, tatsächlich zu einer Seite hin kippt, sobald auf dieser ein Übergewicht von etwa 20 Personen erreicht wird. Der Neigungsgrad wird dabei, wie bei einer richtigen Waage, ganz vom Verhältnis der partizipierenden Menschen bestimmt.

Freiheit und Einheit als Prozess

Dem Entwurf liegt der Gedanke zugrunde, dass Freiheit und Einheit keine statischen Zustände sind, sondern immer wieder neu definiert werden müssen und Engagement erfordern. Diese Prozesshaftigkeit bildet den ideellen Kern des Denkmals. Um die Schale zu bewegen, müssen die Besucher sich verständigen und zu gemeinsamem Handeln entschließen – ganz wie zur friedlichen Revolution 1989. In großen Lettern stellen die Parole “Wir sind das Volk” sowie die wenig später daraus hervorgegangene Redewendung “Wir sind ein Volk” einen direkten Bezug zu dem historischen Ereignis her.

 

Anleihen aus dem Brückenbau

Konstruktiv handelt es sich bei der „Waagschale“ um ein gewichtsoptimiertes Raumtragwerk aus Stahlbauteilen, wie es vom Brückenbau bekannt ist. Dieses misst 50 Meter entlang der Längs- und 18 Meter auf der Querachse. Dabei verjüngt sich die Schale von 2,5 Metern an ihrer stärksten Stelle in der Mitte auf wenige Zentimeter an den beiden Enden. Während die Außenseite mit facettierten Leichtmetallpanelen verkleidet ist, überzieht gebundener Edelsplitt die Oberseite, wodurch Rutschfestigkeit und ein gutes Versickern von Regenwasser gewährleistet werden.

Für die Sicherheit sind zudem Geländer sowie ein zusätzliches Netz am Gelenk vorgesehen. Ein kombiniertes Feder- und Dämpfungssystem sorgt dafür, dass sich die Bewegung der Waage langsam und sanft vollzieht, sodass für die Amplitude von 3,2 Metern etwa eine Minute benötigt wird. Gleichsam wird die Abwärtsbewegung in einer Höhe von 80 Zentimetern über dem Boden gestoppt.

 

Steiniger Weg zur Verwirklichung

Der Entwurf ging bereits im April 2011 als Sieger aus einem Wettbewerb um das Freiheits- und Einheitsdenkmal hervor. Nach Verzögerungen, unter anderem durch die Umsiedlung von Fledermäusen, und der Weiterentwicklung zur Baureife durch die Architekten wurde schließlich im Oktober 2015 die Baugenehmigung erteilt. Aufgrund diverser Missverständnisse in Bezug auf vermeintlich gestiegene Baukosten und damit einhergehender Beschlüsse des Haushaltsausschusses des Bundestags, die dem Projekt zuwiderliefen, lag es anschließend über anderthalb Jahre auf Eis. Am 1. Juni 2017 wurde schließlich im Plenum des Bundestags mit großer Mehrheit endgültig der Bau des Denkmals beschlossen. Die Einweihung soll zum 30. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer, am 9. November 2019, stattfinden.