Eine Liebeserklärung an den Beton

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Heidelberg Materials ist einer der größten Baustoffhersteller der Welt. Mit dem Neubau der Konzernzentrale demonstriert das DAX-Unternehmen aus Heidelberg die beachtliche Bandbreite von Beton als attraktivem Baustoff. Die beratenden Ingenieure der Wulle Lichti Walz GmbH waren im Planungsteam für die Tragwerksplanung des imposanten Gebäudes verantwortlich und geben Einblicke in ihre Arbeit, bei der auch FRILO und Allplan zum Einsatz kamen.

Lange Zeit waren die Mitarbeiter von Heidelberg Materials auf verschiedene Bürogebäude im Heidelberger Stadtgebiet verteilt. Um diesen Zustand zu beenden und die gesamte Belegschaft an einem gemeinsamen Standort zusammenzuführen, hat der Konzern im Heidelberger Stadtteil Neuenheim eine neue, eindrucksvolle Firmenzentrale errichtet. Der moderne Neubau, der nach dreijähriger Bauzeit planmäßig im Juni 2020 bezogen wird, bietet Platz für bis zu 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Bei Planung und Bau legte Heidelberg Materials jedoch nicht nur Wert auf ausreichende Kapazitäten für seine Belegschaft, sondern auch auf ein innovatives und energieeffizientes Gebäudekonzept. Die Zertifizierung des Gebäudes mit dem „Platin“-Standard der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen belegt die umweltfreundliche und nachhaltige Bauweise.

Beton als Baustoff

Der Komplex umfasst eine Bruttogeschossfläche von 51.975,60 m². Er besteht aus drei unterschiedlich hohen, kubischen Baukörpern, die ineinander greifen und zu einer Einheit verschmelzen. Die Konzernzentrale mit sieben oberirdischen Geschossen und zwei Tiefgeschossen ist als Stahlbetonskelettbau mit Stahlbetonrundstützen und aussteifenden Wandkernen ausgeführt. In dem integralen Bauwerk, in dem nur an den beiden Enden der Brücken im 1. und 2. Obergeschoss Fugen ausgebildet wurden, stehen insgesamt 182.418,20 m³ umbauter Raum zur Verfügung. Neben den großzügig gestalteten Innenräumen tragen separate, aufwendig begrünte Innenhöfe und die firmeneigene Kantine (das Casino) zu einem angenehmen und kommunikativen Arbeitsumfeld bei Heidelberg Materials bei. Bei der Materialwahl legte das DAX-Unternehmen besonderen Wert darauf, die vielseitigen und ästhetischen Einsatzmöglichkeiten des Baustoffs Beton hervorzuheben. Leitgedanke bei Entwurf und Planung war, dass die neue Hauptverwaltung das Unternehmen und seine Produkte widerspiegeln soll.

Fassade und Baumstützen setzen Akzente

Einen ersten bleibenden Eindruck hinterlässt die geschwungene Fassade, die mit viel Glas und weißen Betonfertigteilen eine einladende Transparenz vermittelt. Dieses markante Erscheinungsbild setzt sich im Eingangsbereich fort. Der selbstverdichtende Feinbeton der höchsten Sichtbetonklasse SB 4, der dort für die teilweise filigranen und stark bewehrten Sichtbetonbauteile (Wände, Stützen, Decken) verwendet wurde, strahlt Harmonie, Eleganz und Leichtigkeit aus. Ein architektonisches und statisches Highlight sind die drei elf Meter hohen, im Raum stehenden Baumstützen aus Stahlbeton, über die die Lasten der darüber liegenden Geschosse abgetragen werden. Die ebenso schlanke wie komplexe Sonderkonstruktion verdankt ihren Namen der äußeren Form, die an einen Baum erinnert.

Lastabtragung über das FRILO-Gebäudemodell

Im Rahmen der Tragwerksplanung waren die beratenden Ingenieure der Wulle Lichti Walz GmbH für die baustatische Betreuung des Bauwerks verantwortlich. Um die Lastabtragung für das gesamte Gebäude zu ermitteln, griffen die Tragwerksplaner auf die Statiksoftware von FRILO zurück. Mit Hilfe von DXF-Folien modellierten sie das Gebäude im Gebäudemodellprogramm GEO. „GEO war eine große Hilfe, weil es gerade bei komplexen Gebäudestrukturen dem Anwender einen schnellen Überblick über die vertikale Lastabtragung verschafft“, urteilt Dipl.-Ing. Oliver Lichti, der entgegen der eigentlichen Form der schrägen Baumstützen vertikale Stützen im Gebäudemodell platzierte, um einen Auflagerpunkt zu erzeugen und die Lastabtragung zu simulieren. „Sind die Informationen erst einmal im GEO, lassen sich Änderungen leicht vornehmen. Mit speziellen Anschlusslösungen können dann die Details ausgearbeitet werden“, ergänzt der Tragwerksplaner.

Bemessung der Bauteile im Obergeschoss

Nach der Ermittlung der Lastabtragung in der Statiksoftware wurde das Gebäudemodell an der Decke über dem Untergeschoss geteilt, um bei der anschließenden Bauteilbemessung die beiden Untergeschosse und die sieben Obergeschosse getrennt behandeln zu können. Die statische Berechnung der Decken erfolgte nach Übernahme aus dem Gebäudemodell im FRILO-Programm Platten mit Finiten Elementen PLT. Für die statische Bemessung der Stahlbetonträger wurde das Programm Durchlaufträger DLT verwendet.

Insbesondere bei der Berechnung der Casinodecke mit ihren zweiseitig aufgefächerten Unterzügen, die stützenfrei eine Fläche von 34,65 x 14 m überspannt, waren beide Berechnungsprogramme eine große Hilfe. Zur Ausbildung der scharfen Kanten wurden 64 maßgefertigte Hohlkörper mit leicht konischen Kanten auf die Schalung gelegt, die beim Ausschalen nach unten entnommen werden konnten. Die statischen Nachweise für ein- und zweiachsig beanspruchte Stahlbetonstützen und -wände wurden mit dem Berechnungsprogramm Stahlbetonstützen B5+ geführt. Für die räumliche Berechnung der Baumstützen wurde ein Stabwerksprogramm verwendet.

Schal- und Bewehrungsplanung mit Allplan

Während die Statiker bei FRILO eine prüffähige Statik erstellten, erstellten die Bauzeichner im Mosbacher Büro mit der BIM-Software Allplan ein detailliertes 3D-Modell der Firmenzentrale von Heidelberg Materials. Auf Basis der im PLT durchgeführten FE-Berechnungen erstellten die Tragwerksplaner anschließend eine ASF-Datei und übergaben diese dem 3D-Modell in Allplan als Unterstützung für die schnelle und präzise Erstellung der Bewehrungspläne. Insgesamt zeichneten die zehn beteiligten Tragwerksplaner knapp 3.600 Bewehrungspläne und 2.000 Schalpläne in Allplan. „Allein für die Bewehrung der Bodenplatte haben wir 185 Bewehrungspläne gezeichnet. Das sind enorme Dimensionen, in denen sich unser Büro bisher noch nicht bewegt hat, vor allem im Hinblick auf den engen Zeitplan“, gibt Lichti zu.

Systemwechsel im Untergeschoss

Wie bei Projekten mit Tiefgarage üblich, nahmen die Planer bei der Decke über dem Untergeschoss einen Systemwechsel vor. Die Decke, die auf dem Untergeschoss aufliegt, ist 50 bis 100 cm dick und nimmt die Lasten der oberen Geschosse über ein Unterzugraster auf. Die Unterzüge wurden so hoch bewehrt, dass sie nicht zusammen mit der Decke betoniert werden konnten. In den Untergeschossen wurde die Bodenplatte in vier Lagen mit Durchmesser 32 betoniert. Aufgrund der Fahrbahn in der Tiefgarage konnten im Bereich der Baumstützen im Foyer des Untergeschosses weder Unterzüge noch Stützen eingezogen werden. Daher wurde in der Decke über dem Untergeschoss unter den drei Baumstützen jeweils ein Europilz® von knapp 22 Tonnen sowie zusätzlich HALFEN Schubbewehrung eingebaut.

Bei den Baumstützen im Erdgeschoss wurde der selbstverdichtende Beton C50/60 über eingeschweißte Leitbleche von unten in die Stützen gepumpt und elf Meter hoch in die Schalung gepresst. „Das war betontechnisch und statisch eine echte Herausforderung. Es ist unglaublich, was im Umgang mit Beton technologisch schon alles möglich ist“, schwärmt Lichti, der seine maßgebliche Beteiligung am Neubau der Konzernzentrale von Heidelberg Materials wohl immer in Erinnerung behalten wird.