Die Bedeutung des Brexit für BIM in Europa

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Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 % der Briten in einem Referendum gegen einen weiteren Verbleib des Vereinigten Königreiches in der Europäischen Union. Nach dem überraschenden Ausgang der Abstimmung wurde vielfach über die Folgen für Großbritannien und Europa diskutiert. Dabei herrschte weitgehend Einigkeit darüber, dass das Ergebnis in nahezu allen wirtschaftlichen und politischen Bereichen seinen Tribut fordern würde.

In den Monaten vor dem Referendum hatten sich regelmäßig Teile der britischen Baubranche öffentlich gegen einen Brexit ausgesprochen. Sie befürchteten, dass es für britische Baufirmen und Planungsbüros in Zukunft schwieriger werden würde, Verträge für europäische Bauvorhaben abzuschließen. Die Entwicklungen in den ersten Wochen nach dem Referendum gaben ihnen Recht: Eine Entlassungswelle fegte durch Londoner Ingenieurbüros, ganze Niederlassungen wurden geschlossen und diverse Bauvorhaben in Europa mit britischer Beteiligung wurden vorübergehend gestoppt. Umso wichtiger wird für die Briten daher nun ihre oft gelobte Vorreiterrolle im Bereich des Building Information Modeling (BIM).

BIM im Vereinigten Königreich

Schon 2011 zeigten sich die britischen BIM-Ambitionen in der "Government Construction Strategy 2011". Darin wurde der Gedanke formuliert, dass ab 2016 die Planung und Errichtung öffentlicher Hochbauten nur unter Verwendung von BIM stattfinden solle. Ab Januar 2016 wurden schließlich zwei von drei BIM-Entwicklungsstufen im Inselstaat per Gesetz zur unumgänglichen Pflicht. Zu diesem Zeitpunkt hatten viele andere Länder in Europa noch nicht einmal Entwicklungsstufe 1 erreicht. Der Zwang zur Auseinandersetzung mit dem Thema führte zu einer hohen BIM-Implementierung.

Die starken Ambitionen der Briten in Sachen BIM spiegeln sich auch im 2015 veröffentlichten „Level 3 Building Information Modeling - Strategic Plan“ wider. Dieses Strategiepapier verfolgt, wie der Name bereits verrät, die Implementierung der dritten und höchsten BIM-Entwicklungsstufe. Diese ist darüber hinaus Gegenstand des jüngsten Strategiepapiers zum britischen Haushalt: „Budget 2016“. Als Ziel wird hier unter anderem die Behauptung der globalen Führungsrolle des Vereinigten Königreichs im Bereich digitales Bauen genannt.

 

BIM als Antwort auf den Brexit

Nun stellt sich die Frage, welchen Einfluss der Brexit auf die britische BIM-Vorreiterrolle und damit letztendlich auch auf BIM in Europa haben wird. Die weit fortgeschrittene Entwicklung von BIM in Großbritannien, dessen aktive Anwendung und das Fachwissen der Anwender stellen für die Branche nach wie vor ein Alleinstellungsmerkmal und somit eine Chance auf den europäischen Märkten dar. Betrachtet man heute die Marktsituation nach dem Referendum, scheint ein weiteres Vorantreiben von BIM seitens der Briten also nur logisch.

Wollen sich die Briten als Nicht-EU-Mitglied eine gefestigte Position im EU-Bausektor sichern, wird ihre hohe BIM-Expertise zum unbezahlbaren Mehrwert. Denn das Wissen um die digitale Planungsmethode wird ihnen weiterhin Aufträge in Europa garantieren. Entwickeln die Briten ihren Bausektor zur BIM-Entwicklungsstufe 3 weiter, erhöht sich auch der Druck auf die übrige europäische Branche, in der Entwicklung von BIM nachzuziehen, was wiederum einen Aufschwung für BIM in ganz Europa nach sich zöge. So gesehen, wäre der Brexit zumindest für BIM in Europa tatsächlich als Glücksfall zu betrachten.