Im Wandel der Zeit: Das Dach im Ingenieurbau

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Es schützt vor Witterungseinflüssen, dient als Unterkunft und vereint Menschen: das Dach. Im Laufe der Jahrhunderte veränderten sich seine Form, seine Materialien und seine Symbolkraft. Die visionäre und kreative Energie von Architekten und Ingenieuren führte zu erstaunlichen Ergebnissen, Meilensteine der neueren Architektur. In diesem Beitrag stellen wir Ihnen beeindruckende Werke des Ingenieurbaus vor und gehen der Frage nach, welches Abbild der Gesellschaft das Dach von heute zeigt.



Über 30 verschiedene Dachformen

Die deutsche Sprache kennt Redewendungen wie „alle unter einem Dach“ und vermittelt damit ein Gefühl von Gemeinschaft. In dem Begriff „Obdach“ steckt das Bedürfnis nach Schutz und Unterkunft. Und wenn eine Sache „unter Dach und Fach“ gebracht wird, steht Sicherheit im Mittelpunkt. Ein Dach schließt ein Gebäude ab oder überdeckt Freiflächen. Es prägt das Erscheinungsbild des gesamten Bauwerks und ist ein Zeichen der Kreativität von Ingenieuren. Die Inspirationen für die Form stammen oftmals aus der Natur. Mit zunehmender Entwicklung in Technik und Materialforschung entstanden immer innovativere Dachformen. So entwickelten sich die ersten Dächer von etwa 12.000 v. Chr. im Laufe der Jahrhunderte zu filigransten amorphen Freiformen.

Meilensteine des Ingenieurbaus in den 1960er und 1970er Jahren

Herausragende Dachkonstruktionen spielten im Rahmen von Weltausstellungen immer wieder eine große Rolle. Sie zeigten jeweils den technischen Fortschritt der Zeit. So entstand zur Weltausstellung 1967 in Montreal, Kanada, die Biosphère, eine gigantische Kugel aus einem dreidimensionalen, stählernen Stabwerk. Für das Bauwerk zeichnete sich Richard Buckminster Fuller verantwortlich.

Nicht weniger aufsehenerregend war der Deutsche Pavillon auf dieser Messe. Die Architekten Frei Otto und Rolf Gutbrod konzipierten in Zusammenarbeit mit dem Ingenieur Fritz Leonhardt eine Seilnetzkonstruktion, die eine Fläche von 8.000 Quadratmetern überspannte. Sie diente als Vorläufer für das Dach des Münchner Olympiastadions, das im Jahr 1972 von Frei Otto sowie dem Architekturbüro Behnisch und Partner errichtet wurde. Als Beispiel für den Leichtbau, der sich in dieser Zeit in der Architektur entwickelte, symbolisierte das Bauwerk Transparenz, Freiheit und Demokratie.

Das Dach als Abbild der Gesellschaft

Die Gesellschaft verändert sich, die Architektur folgt ihr. In neuerer Zeit stehen andere Themen im Vordergrund. Angesichts des Klimawandels nehmen Nachhaltigkeit und Ökologie an Bedeutung zu. Dies äußert sich beispielsweise in der Verwendung von umweltfreundlichen Baumaterialien wie Holz. Architekten und Ingenieure kombinieren die Dachkonstruktionen mit Photovoltaik- oder Solarthermieanlagen, um die Energieeffizienz der Gebäude zu erhöhen. So entstand 1999 in Herne auf der ehemaligen Zeche Mont Cenis eine Halle, deren Glasdach als Klimahülle eine kleine Stadt überspannt und die energieautark lebt.

Ein ebenso aktuelles Thema der heutigen Generation ist der Hedonismus, der in der Spaß- und Erlebnisgesellschaft seinen Ausdruck findet. Das ursprünglich von dem münchner Architekturbüro SIAT für die Produktion von Lasten-Zeppelinen geplante Tropical Islands südlich von Berlin ist die weltweit größte freitragende Halle – unter ihrem Dach können Besucher in einem nachgebauten Südseeparadies baden, essen, im Urwald spazieren gehen und übernachten. Die Ingenieurskunst, die das Ingenieurbüro Arup damit unter Beweis stellte, findet in Fachkreisen Anerkennung. Die Nutzung hingegen wird belächelt.



Vom Modell zur Umsetzung: eine bildfixierte Methodik

Mit zunehmendem technischen Fortschritt entwickeln sich auch neue Möglichkeiten zur Berechnung und Konstruktion von Dächern sowie zum Einsatz unterschiedlichster Materialien. Im März 2011 konnte zum Beispiel der Entwurf aus dem Wettbewerb für die Neugestaltung der Plaza de la Encarnación in Sevilla fertiggestellt werden: der Metropol Parasol von dem Architekten Jürgen Meyer H. und dem Ingenieurbüro Arup. Dabei wurde die in Scheiben geschnittene Umrissform der 5.000 Quadratmeter umfassenden Sonnenschirme zum Tragwerk mit bis zu 3 Meter hohen Scheiben, die in einem 1,5-m-Raster „zusammengesteckt“ wurden.

Auf der römischen Ruine ein Dachtragwerk mit einer begrenzten Anzahl Bohrpfähle zu errichten, stellte eine große Herausforderung dar. Aufgrund der als angenehm empfundenen Eigenschaften von Holz und dem leichten Gewicht fiel eine Entscheidung gegen eine Stahlkonstruktion. Ermöglicht wurde der Einsatz des ökologischen Materials allerdings nur durch das neuartige Verfahren, Holz mit Polyurethan zu besprühen und eine Tragwerksberechnung, die durch modernste und aufwendige Software gestützt war. Somit entstand eine organisch gewachsene Struktur aus einer dreidimensionalen Netzgeometrie, die den Menschen auf dem Platz Schutz vor der Sonne und zugleich eine begehbare Dachfläche bietet. Die Form und die Symbolik von Dächern werden sich auch in Zukunft immer wieder verändern, was bleibt, ist ihre Funktion von Schutz und Sicherheit.