3 Gründe, warum das Cradle To Cradle-Prinzip die Zukunft der Architektur beeinflussen wird

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Ein Blick in die Natur verrät: Sie produziert im Überfluss und macht aus Altem Neues. Genau dieses Prinzip verfolgt der Ansatz „Cradle To Cradle“. Der Verfahrenstechniker Michael Braungart und der Architekt William McDonough entwickelten dieses Designkonzept in den 1990er Jahren. Seitdem erarbeiten sie am EPEA, dem Institut für internationale Umweltforschung in Hamburg, weiterführende Ansätze. Was sich hinter dem Prinzip “Cradle To Cradle” verbirgt und wie es in der Praxis angewendet wird, erfahren Sie in diesem Beitrag.



"Cradle To Cradle" in der Architektur

Der Begriff stammt aus dem Englischen und heißt „Von der Wiege zur Wiege“. Es geht dabei um die gezielte Auswahl von Materialien für Bauprojekte, die potenziell unendliche Lebenszyklen durchlaufen können. Im Gegensatz zum Recycling oder zum Konzept der Ökobilanz geht "Cradle To Cradle" weiter. Die Energieeinsparung allein greift zu kurz und hat zudem negative Auswirkungen wie das Sick-Building-Syndrom, bei dem sich insbesondere Büroangestellte nach längerem Aufenthalt in Gebäuden krank fühlen. "Cradle To Cradle" hat in der Architektur hingegen das Ziel, die Umwelt zu nutzen, statt lediglich schädliche Effekte zu reduzieren. Dem Konzept liegen drei Prinzipien zugrunde: das Verständnis von Abfall als Nahrung, die Nutzung erneuerbarer Energien und die Unterstützung von Diversität.

Die biologischen und technischen Produktionskreisläufe

Das Konzept unterscheidet zwei Kreisläufe. Der biologische Kreislauf umfasst Verbrauchsgüter, die nach ihrer Nutzung in die Natur zurückgeführt werden. Im technischen Kreislauf spielen Gebrauchsgüter eine Rolle. Bereits beim Design dieser Produkte steht die Weiterverwendung der Materialien im Vordergrund. Hersteller verkaufen nicht länger ihre Waren, sondern stellen sie zur Verfügung und nehmen sie anschließend wieder zurück, um sie weiter zu verwerten.

Die Nutzung erneuerbarer Energiequellen

Herkömmliche Energiequellen wie fossile Brennstoffe oder Atomkraft sind mit zahlreichen Nachteilen versehen, denn die Folgen ihrer Nutzung belasten zukünftige Generationen. Wind- und Sonnenenergie, Biomasse oder Erdwärme dagegen sind jederzeit verfügbar und erneuerbar. So kann nachhaltig Strom und Wärmefür den Betrieb von Gebäuden oder Anlagenproduziert werden.

Die Unterstützung von Vielfalt

Das Konzept “Cradle To Cradle” betrachtet sowohl ökonomische als auch ökologische und soziale Aspekte bei der Auswahl der Materialien und Baustoffe. Es erlaubt vielfältige Perspektiven auf die Herstellung und Nutzung von Produkten. So entstehen neue Ideen, die über konventionelle Methoden und Sichtweisen hinausgehen.

Praxisbeispiel: der Kreislauf-Pavillon in Hamburg

Während der Klimawoche 2011 in Hamburg errichtete das Architekturbüro Partner und Partner auf dem Rathausplatz ein Gebäude nach dem Cradle To Cradle-Prinzip. Der sogenannte Kreislaufpavillon mit einer Fläche von 75 Quadratmetern hatte eine begrenzte Nutzungszeit. Er diente als Ausstellungs- und Veranstaltungsort sowie als Raumskulptur. In der Dunkelheit erstrahlte er in einem matt-grünen Licht dank einer Beleuchtung mit LED-Lampen. Die beteiligten Architekten und Ingenieure wollten an dem Pavillon den Lebenszyklus eines Gebäudes in komprimierter Form darstellen: von der Kreation über die Errichtung und Nutzung bis zum Rückbau.

Als Materialien dienten dafür natürlich gewachseneAstgabeln, die aus den umliegenden Wäldern stammten. Sie bildeten das Tragwerk und die Fassade des Gebäudes. Partner und Partner wählten sie spezifisch für die Nutzungsdauer aus. Die Montage erfolgte mit Holzdübeln und Hanfseilen. Nach dem Rückbau wurde das Holz gehäckselt und als natürlicher Nährboden in den Wald zurückgeführt. Die Innenwände waren mit Textilbahnen bespannt, der Fußboden mit synthetischen Teppichfliesen ausgelegt. Letztgenannte nahm der Hersteller nach dem Abbau des Gebäudes zurück und verwendete sie für die Produktion anderer Bodenbeläge.

Erkenntnisse auf dauerhafte Gebäude übertragbar

Der Kreislaufpavillon veranschaulicht die Prinzipien des “Cradle To Cradle” in der Architektur: Die eingesetzten Baustoffe wurden in den biologischen bzw. technischen Kreislauf zurückgeführt. Durch die Verwendung erneuerbarer Energiequellen war das Gebäude nahezu CO2-neutral. Darüber hinaus zeigte es auf, wie die ökologische Gesamtbilanz optimiert werden kann. Diese Erkenntnisse lassen sich auch auf dauerhafte Gebäudestrukturen übertragen. Für Architekten ergeben sich dadurch gänzlich neue Betätigungsfelder im Bereich des Nährstoffmanagements, die weit über das Bauwesen hinausgehen.