Eines der letzten natürlichen Flussbäder Bayerns hat seit Kurzem eine außergewöhnliche neue Brücke. Geplant wurde der Hybridbau aus Holz und Beton mit ALLPLAN.
Wenn es in Oettingen wettermäßig heiß hergeht, wird traditionellerweise in der Wörnitz geschwommen, in einem der letzten natürlichen Flussbäder Bayerns. Die für die Badegäste errichteten Bestandsbauwerke in Form von Sanitäranlagen, einem Kassenhäuschen und einer Brücke waren allerdings zuletzt in die Jahre gekommen, weshalb sie zwischen 2019 und 2020 durch ein neues Eingangsgebäude und einen Brückenneubau ersetzt wurden. Während das Gebäude durch seine spezielle Form und Fassade in hellem Holz für Aufsehen sorgt, sticht die schlichte, elegante Brücke vor allem durch ihre hybride Bauweise aus Holz und Beton hervor. Geplant wurde das ingenieurstechnische Schmankerl von Dr. Gollwitzer - Dr. Linse und Partner mit ALLPLAN.
Schlanke Holz-Beton-Brücke
Mit einem überaus schlanken blockverleimten und stützenfreien Brettschichtholzbogen von gerade einmal 32 Zentimetern Stärke spannt die Holz-Beton-Brücke elegante 22,4 Meter über das kühle Nass und bietet Fußgängern wie Badegästen einen zwei Meter breiten Weg übers Wasser. Die schlanke Überführung schmeichelt dabei jedoch nicht bloß dem Auge, sondern ist gleichsam unter Vermeidung eines Flusspfeilers notwendig, um einen ungehinderten Hochwasserabfluss mit einem Freibord von 50 Zentimetern zu erreichen. Die gevoutet auskragenden Widerlager bestehen aus Beton. Das Kuriose: Sämtliche Bauteile, egal, ob aus Naturbaustoff oder mineralischen Baustoffen, sind monolithisch zu einer statischen Gesamteinheit vergossen.
Wie Stahlhohlkastenbrücken, nur aus Holz
Statische Grundlage der schlanken Gestalt der Brücke ist eine Reduzierung des Feldmomentes durch Stützmomente an den Auflagern. Die Ingenieure übertrugen damit praktisch das Prinzip beidseits eingespannter Stahlhohlkastenbrücken auf den Baustoff Holz und entwickelten durch Zug- und Druckpfähle ein Betonwiderlager, in das der Überbau aus Brettschichtholz eingespannt wird. Auch in anderer Hinsicht erinnert das Holzbauwerk an eine Stahlbrücke: So konnten die Holzbauteile, ähnlich ihrem Stahlpendant, im Werk vorgefertigt und auf der Baustelle anschließend einfach eingehoben werden. Der Holz-Bogen wurde dabei extra so geplant, dass er elf Zentimeter über dem sogenannten hundertjährigen Hochwasserereignis (HQ100) trocken liegt, während einzig die Widerlager seicht in den Hochwasserquerschnitt eintauchen.
Zahlreiche Maßnahmen zum Schutz gegen Nässe
Der Holzüberbau besteht aus 32 Zentimeter hohen gekrümmten Brettschichtholzträgern, die an den Seiten unter 30 Grad abgeschrägt sind, um den „30 Grad Normregen“ keine Angriffsfläche zu bieten. Als Gehfläche dient ein vier Zentimeter dicker Bohlenbelag mit einem Spaltmaß von einem Zentimeter. Durchfallendes Regenwasser wird über eine darunterliegende Folienabdichtung auf Rauschalung im Quergefälle von einem Grad abgeführt. Um anfallende Feuchtigkeit abzutransportieren, ist der Aufbau zudem hinterlüftet. Frei nach dem Gore-Tex-Prinzip, schützt eine weitere wasserführende und diffusionsoffene Unterspannbahn den Brückenaufbau zusätzlich vor Nässe. Zum Schutz der Brettschichtholzträger ist zudem eine hinterlüftete Rombusschicht aufgeschraubt.
Die in Ansicht und Querschnitt gevouteten Widerlager sind jeweils flussseitig über drei schräge Mikro-Druckpfähle mit einem 20-Zentimeter-Durchmesser sowie landseitig mit einem vertikalen Zugpfahl in tragfähigem Ries-Seeton verankert. Ein Kolkschutz aus Senkkästen und Unterwasserbeton schützt die Druckpfahlköpfe flussseitig vor Ausspülung. Die zahlreichen Maßnahmen zum Schutz des Materials gewährleisten, dass die Brücke die Badegäste durch viele Dutzend Sommer tragen wird.
Nicht unerwähnt bleiben soll, dass sich die Kosten durch geschicktes „Weglassen“ von klassischen Brückenbauteilen wie Elastomerlager, Übergangskonstruktionen oder Stützpfeilern nicht von denen einer konventionellen Brücke unterschieden haben. Und was nicht da ist, kann auch nicht kaputt gehen.