Das Liyang Museum von CROX folgt „old school“-freiförmlich dem Blobitecture-Trend des digitalen Zeitalters, hält jedoch auch so manche Überraschung bereit.
Sie sind die architektonischen Wahrzeichen des digitalen Zeitalters: fließende, fast wasserartige Freiformen, die keiner Ecken und Kanten bedürfen. Auch wenn es derartige „Blobitecture“ dank der damaligen Fortschritte im computergestützten Entwerfen bereits seit Mitte der 1990er immer wieder zu sehen gibt, wird sie doch irgendwie nie langweilig. Ein junges Beispiel hierfür ist das Liyang Museum in der gleichnamigen chinesischen Stadt. Das kurvige Monument wurde Ende 2019 fertiggestellt, wirkt aber eigentlich gar nicht, wie von Menschenhand gemacht. Das liegt allerdings nicht an seiner Form allein, sondern auch an seiner (scheinbaren) Materialität und Lage.
Natürlicher Fremdkörper
Ein eigenwillig geformtes Stück Holz oder doch eher eine melangeartige Gesteinsformation? Was immer es sein mag, es wirkt irgendwie natürlich und wie ein Fremdkörper zugleich. Seine Schöpfer, die Architekten von CROX, nennen es „Schwebende Melodie“. Der Grund: Das Bauwerk ist einem traditionellen chinesischen Saiteninstrument und kulturellen Symbol der Region, der Jiaoweiqin, nachempfunden, daher auch die hölzerne Optik, wenngleich diese täuscht. Tatsächlich besteht die Fassade aus Aluminiumpanelen in unterschiedlichen Brauntönen. Und noch etwas täuscht: Das Instrument scheint auf mehreren grünen Hügeln aufzuliegen – zumindest von den meisten Richtungen aus betrachtet. Ein großer, in Beton gefasster Eingang entlarvt diese jedoch als Teil der Bildungseinrichtung.
Unten Auenland, oben Instrument
Das an Auenland-Architektur gemahnende „Erdgeschoss“ beinhaltet eine Lobby sowie diverse Ausstellungsräume. Der erste Stock, welcher sich bereits im instrumentalen Korpus befindet, ist in vier individuelle Räume mit Büros, pädagogische Bereiche und Ausstellungsräume unterteilt. Im Obergeschoss empfängt ein einziger großer Raum die Besucher, der sich am nördlichen Ende zu einem privateren Bereich für Konferenzen ausformt. Zwischen den Hügeln und der „schwebenden Melodie“ befindet sich ein sonnengeschützter öffentlicher Platz, der über eine hölzerne Treppe erschlossen wird.
Leider kein Holz
Dass ein derartiges monumentales Stück Blob Architecture heutzutage nicht mehr für sein schieres Dasein ausschließlich gefeiert wird, zeigten die bislang gemischten Reaktionen auf das Bauwerk. Stimmen, die das Museum gelungen finden, stehen solche gegenüber, die die Form als uninspiriert kritisieren oder die Qualität der Ausführung in Zweifel ziehen. So oder so geartete Ansichten einmal beiseite, ist es wohl vor allem bedauerlich, dass das von einem Holinstrument inspirierte Gebäude statt mit echtem Holz mit Aluminium verkleidet wurde.