Blob-Architektur: Spektakuläre, futuristische Formensprache

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Den sogenannten „Blobs“ in den Metropolen dieser Welt kann man vieles nachsagen – nur nicht, dass sie langweilig sind. Mit ihrer futuristischen Formensprache stechen diese besonderen Bauwerke aus jedem Stadtbild hervor und lösen immer wieder aufs Neue Faszination und Begeisterung aus – aber auch harsche Kritik. Ein Blick auf die wohl spektakulärste Stilrichtung der Freiform-Architektur und spannende Entwicklungen der jüngsten Zeit.

ChrisHepburn; Selfridges in Birmingham

Schrilles Kind der 90er

Seinen Namen verdankt der Blob (deutsch: Klecks) nicht nur seiner „flüssigen“ Formensprache. Blob steht zudem für „Binary Large Object“ – eine Art tropfenförmige, digitale Verbindung, die sich in nahezu unbegrenzter Weise formen lässt.

Und wirklich konnten die ersten Blob-Gebäude erst realisiert werden, als Architekten und Planer mit 3D-Software ein Werkzeug an die Hand bekamen, das den Entwurf ungleichmäßig konkaver, konvexer Flächen möglich machte: Die Freiform-Architektur machte ihre ersten Schritte. Bis in die späten 1990er Jahre blieb das computergestützte Entwerfen aber ein Spezialgebiet, das u.a. von den Pionieren der digitalen Architektur wie Greg Lynn und Frank O. Gehry angeführt wurde.

Blob-Architektur: Schwer integrierbar, aber spannend 

Dass die Freude am technisch Machbaren gelegentlich zu Übertreibungen führt, ist nur menschlich. Vielen Blobs wird nachgesagt, sie seien in erster Linie wegen ihres Showeffekts entstanden. Als Paradebeispiel gilt das 2000 in Seattle erbaute Museum of Pop Culture (MoPOP), das von Frank O. Gehry geplant wurde – es wird sogar „The Blob“ genannt. Gestiftet wurde es als „Experience Music Project“ von Paul Allen, Mitbegründer von Microsoft. Allen wollte mit dem Gebäude Rock'n'Roll als eine Huldigung an den von ihm verehrten Jimi Hendrix zum Ausdruck bringen. 240 Millionen Dollar verschlang das Mammut-Projekt. 

© iStock / spezzatura; Museum of Pop Culture Seattle (Gehry)

Als „etwas, das aus dem Meer gekrochen kam, sich umgedreht hat und gestorben ist“ beschrieb Herbert Muschamp, der Architekturkritiker der New York Times das MoPOP mit seinen silbernen, violetten, roten und blauen, im Wind flatternden Stahl- und Aluminiumverkleidungen. Und tatsächlich wirkt der Blob alles andere als harmonisch in das Stadtbild integriert. Als Nachfahren der organischen Architektur definiert sich „Blobitecture“ nicht mehr durch die Harmonie mit der Umgebung, sondern nur noch durch ihre runden Formen.

Blobs als umstrittene Eyecatcher 

Auch das Kunsthaus Graz von Peter Cook und Colin Fournier (2003) sorgte für Kontroversen. Das von den roten Ziegeldächern der Grazer Altstadt umringte Gebäude wurde in einer harten Kritik des US-Magazins “Current Affairs” mit dem Flitzer bei einem Football-Spiel verglichen, der so „schamlos und vulgär vor uns steht, dass wir einfach nicht wegblicken können.“ Die Autoren kritisierten, dass man „unmöglich aufhören könne, es anzuschauen“ und der stachelige Blob „die Struktur der Stadt“ störe.



Aber selbst wenn sie polarisieren: Blobs sind in jeder Stadt ein Blickfang, sie sorgen für Gesprächsstoff und ziehen Touristen an. Und sie sind längst nicht bei allen so unbeliebt wie bei Architekturkritikern. Das Kunsthaus Graz wurde von der Bevölkerung liebevoll „Friendly Alien“ getauft.

Das Image der Blob-Architektur wandelt sich

Das berühmte Blob-Shoppingzentrum von Selfridges in Birmingham (Kaplicky, 2004) wird – wegen der wabenförmigen Fassade und dem emsigen Hinein- und Hinausschwärmens der Menschen – auch „Bienenkorb“ genannt und zeigt sich sympathisch nah dran am „normalen“ Nutzer. Ebenso wie Fuksas’ „De Blob“ (2010) in Eindhoven zeigt, wie sich Blobs und mit ihnen die skulpturale Architektur und Freiform-Bauwerke insgesamt langsam von millionenschweren Exzentrikern zu Gebäuden für den „Alltagsgebrauch“ wandeln.

Der organische Baukörper des Selfridges konnte zu den gleichen Kosten realisiert werden wie das kommerzielle Kaufhaus nebenan. Neue Software-Tools, moderne Bautechniken und innovative Materialien treiben die immer effizientere und wirtschaftlichere Umsetzung von Blobs voran. Architekten wie Jürgen Mayer H. oder Tobias Wallisser (LAVA) und auch Ingenieure wie Roland Bechmann (Büro Werner Sobek) leisten hier Pionierarbeit. Werden sich Blobs und Bauwerke der Freiform-Architektur also immer mehr vom Spektakel zur Alltagstauglichkeit wandeln? Eine Aussicht, die bei den einen Entsetzen, bei den anderen Entzücken auslösen mag.