Zwischen Traum und Albtraum: Die Penang South Islands sollen ein Musterbeispiel an Nachhaltigkeit werden. Allein: Das Projekt ist an sich sowohl ökologisch als auch sozial umstritten.
Ambivalenter könnte ein Bauvorhaben kaum sein: Am südlichen Ende der Insel Penang soll, wenn es nach der lokalen Regierung geht, schon bald eine neue Stadt für 15.000 bis 18.000 Menschen entstehen. Hierfür wurde Ende 2019 ein Architekturwettbewerb ausgelobt, den eine Arbeitsgemeinschaft aus Bjarke Ingels Group BIG, Hijjas und Ramboll für sich entscheiden konnte. Deren Masterplan sieht geradezu einen Traum von einer nachhaltigen Stadt mit hochmodernem Transportsystem, jeder Menge Grün und nicht zuletzt einer reichen Biodiversität vor. Doch die Vision, die den programmatischen Namen BiodiverCity trägt, ist keinesfalls unumstritten. Einer der Gründe: Das Projekt sieht zunächst einen durchaus radikalen Eingriff in die Natur vor.
Künstliche Landmassen
Die Sache ist die: Bevor das Paradies an Nachhaltigkeit überhaupt gebaut respektive gepflanzt werden kann, müssen erst einmal künstliche Landmassen vor der Südküste Penangs entstehen. Klein dürften diese nicht ausfallen: Laut Ausschreibung gilt es etwa 4,6 Kilometer öffentlichen Strand, über 240 Hektar an Parkflächen sowie eine 25 Kilometer lange Küste zu schaffen. Für die Umsetzung sieht der Masterplan ein „urbanes Mosaik“, bestehend aus drei unterschiedlich entwickelten Inseln vor, die, von oben betrachtet, wie riesige bebaute Seerosen wirken – auch das übrigens Teil der Ausschreibung. Die 20 bis 200 Hektar großen Distrikte sind laut Masterplan von 50 bis 100 Meter breiten Pufferzonen aus Reserven, Parks, Korridoren und urbanen Plätzen umgeben.
Technologie, Mangrovenwälder, Oase
The Channels, die erste Insel, umfasst in erster Linie öffentliche und Forschungsinstitutionen. Der Schwerpunkt liegt auf Technologie. So bildet etwa ein 200 Hektar großer Technologieparkt das Zentrum des Distrikts. Die zweite Insel und das Zentrum des Archipels, The Mangroves, ist um ein Netzwerk aus geschützten urbanen Feuchtgebieten gegliedert, die ein geeignetes Habitat für Mangrovenwälder bilden, welche wiederum als hocheffiziente CO2-Speicher fungieren. Hier sollen unter anderem der Bamboo Beacon – ein Konferenz- und Veranstaltungszentrum – sowie soziale Infrastruktur entstehen. Für die Gebäude sind nachhaltige Baustoffe wie Bambus, lokal erwirtschaftetes Holz oder grüner Beton vorgesehen.
Das Zentrum der dritten Insel, The Laguna, bildet ein Hafen, um den sich eine „Oase für ökologisches Leben“ entfaltet. Acht Miniinseln machen The Laguna zu einem Miniaturarchipel mit einer Wohnbebauung aus schwimmenden-, terrassierten- oder Stelzenhäusern. Die Wasserwege bieten Fischern von ihren Anlegestellen aus einen leichten Zugang zur offenen See. Darüber hinaus schafft unter anderem ein Netz aus ökologischen Korridoren die Grundlage für ein Mit- oder zumindest Nebeneinander von Mensch und Tier. Für die Verbindung zwischen den Inseln untereinander sowie zum Festland sorgt ein autonomes wasser-, luft- und landbasiertes Transportnetzwerk, das auf eine autofreie Umwelt abzielt.
Bauvorhaben mittlerweile genehmigt
So wunderbar das Ganze klingt, sind in Malaysia längst nicht alle von dem Vorhaben überzeugt. Umweltschutzverbände sehen die Natur gefährdet, lokale Fischer fürchten um ihre Lebensgrundlage. Beide Gruppen leisteten bereits Widerstand gegen das Projekt sowohl in Form von Demonstrationen als auch mit einer Online-Petition. Dem zum Trotz wurde das gigantische Bauvorhaben mittlerweile bereits genehmigt. Die Landgewinnung für die erste Insel sollte bereits im ersten Quartal 2021 anlaufen. Bleibt zu hoffen, dass der ökologische und soziale Gewinn durch BiodiverCity am Ende größer sein wird, als seine Kosten.